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Archiv-Artikel

GALABESUCH VON WALTRAUD SCHWAB Der Geldadel zeigt Geiz

Fundraising hat in Zeiten der Finanzkrise kräftig Glamour verloren

Dieser Text ist ein Gemälde. Mit Grundierung und Farben. Mit schnellem Strich und abstrakter Komposition. Mit mäßiger Hängung und billigem Preis. Zum Ersten. Zum Zweiten. Zum Dritten. Titel des Bildes: ein Spenden-Galaabend der „SOS-Kinderdörfer Berlin“.

Die Grundierung: Promis, die zur Gala geladen sind und die in den Hof der Kalkscheune in Mitte treten. Ich kenne nicht, wer im Blitzlicht steht. Der Mann da mit der Mütze, um den die Fotografen schwirren, wie heißt er? „Ludwig Trepte, und der daneben Jacob Matschenz. Jacob mit c“, sagt der Mann neben mir. Woher er das denn weiß? „Ich bin deren Agent.“

Die Kleider der eintreffenden Frauen bringen Farbe ins Spiel. Nadine Warmuth, Schauspielerin, einen lachsfarbenen Ton; Adele Landauer, Schauspielerin, den goldgelben. Aufs Standbein, aufs Spielbein stellen sie sich fürs Bild, machen den Mund auf, zeigen Zähne. „Schön, dass Sie da sind “, sagt Kirstin zu Hohenlohe, SOS-Kinderdorf-Botschafterin in Blau zu ihnen. Und zu mir: „Ohne die Promis würde die Presse nicht kommen.“ Die anderen Gäste, das seien Bekannte, Kunstfreunde, Sammler. Tita von Hardenberg steht auch im Blitzlichtgewitter. Sie wirkt allein durch ihre Grübchen in den Wangen

Von Hardenberg moderiert durch diesen Jubiläumsabend, denn seit 60 Jahren gibt es SOS-Kinderdörfer. Sie begrüßt polyluxhaft-verschmitzt den Botschafter von Kenia und einen SOS-Kinderdorf-Vertreter von Mexiko. Den beiden Ländern soll der Erlös des Abends zugutekommen. Der Mexikaner sagt etwas Schönes: „Das sind ja verlassene Kinder, die bei uns in die Kinderdörfer kommen. Aber niemand, der in den Kinderdörfern aufgewachsen ist, hat später seine eigenen Kinder verlassen. Wir haben die Negativspirale durchbrochen.“ Das Zitat geht den rund 200 Anwesenden zu Herzen.

Alles andere an diesem Abend ist ein unorganisches Spiel mit Nuancen. Den Tisch, an den ich gesetzt werde: Nummer 9. Minu Barati, Frau Joschka Fischers, soll dort sein. Sie hat abgesagt. Und Ivan Strano, Designer, der ein Hemd trägt, das durch den Faltenwurf so aussieht, als trüge er auch eine Krawatte, bringt nicht Claus Unrath mit, sondern die PR-Agentin. „Das Hemd ist unsere Kreation“, sagt er in einem zart modulierten Deutsch mit Schweizer Akzent. „Ich bin aber Italiener.“ Das Essen schmeckt ihm.

Robert Lucander sitzt auch am Tisch. Der in Finnland Geborene verströmt finnische Melancholie. Er hat ein Bild gestiftet, das später versteigert wird. Den Wert schätzt er im niederen fünfstelligen Bereich. Ein Mann ist drauf, der seine Hand ausstreckt und auf etwas deutet, was man nicht sieht. „Kuratoren haben uns bestätigt, dass wir angesagte Künstler bei unserer Kunstauktion bieten“, sagt Ingrid Famula, die Pressesprecherin der SOS-Kinderdörfer. Lucander ist ihr Held. Insgesamt hofft die Organisation, dass sie am Ende des Abends eine sechsstellige Summe durch die Versteigerung einfährt.

Nichts wird daraus. Alle 14 Kunstwerke gehen als Schnäppchen über den Tisch des Auktionators. Lucanders Bild für ein Drittel des Schätzwerts. Die Finanzkrise ist bei den Wohlfahrtsorganisationen angekommen. Der Geldadel ist geizig. Nur 21.000 Euro bringt die Versteigerung ein. Vielleicht deckt das die Unkosten der Gala. „Wir brauchen die Kohle doch“, sagt die Pressesprecherin. Depression legt sich über den Abend. Strano verschwindet mit Lucander zum Rauchen und taucht nicht mehr auf. Foto: A. Losier