: Ende eines multikulturellen Bündnisses
Der Türkische Bund kündigt die Zusammenarbeit mit dem Lesben- und Schwulenverband auf. Zur gemeinsam geplanten Pressekonferenz für die Lesbenkampagne „Cigdem ist lesbisch. Vera auch!“ erscheint der TBB nicht
Es sah auf dem Papier doch so schön aus, wie ein Traum aus einer multikulturellen Welt: hier die rührigen Frauen und Männer vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD), dort die nicht minder engagierten Menschen vom Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB). Erstere suchten das Bündnis mit der zweiten Gruppe. Der Grund ist schlicht benannt: Gerade Homosexuelle muslimischer Prägung hätten auf besondere Art zu kämpfen. Einerseits als Migrantenkinder um Anerkennung der Mehrheitsgesellschaft. Andererseits aber auch in ihren Communities selbst, wo sie als Schwule und Lesben nicht nur nicht respektiert, sondern vielfach ignoriert, missachtet, häufig auch verprügelt und (als Therapeutikum) zwangsverheiratet werden. Ihnen gewidmet war eine Kampagne aufklärerischer Art: „Kai ist schwul. Murat auch!“
Das war im vorigen Jahr. Nun sollte die gleiche Kampagne für muslimische Lesben gestartet werden – wiederum mit dem TBB als Bündnispartner: als Organisation mit hoher Glaubwürdigkeit in der türkischen Gemeinde, die fähig wäre, dort hinein ermunternd zu wirken. Doch das Bündnis trägt nicht mehr. Der TBB hat jede Zusammenarbeit mit dem LSVD aufgekündigt – und der Grund liegt dem Vernehmen nach nicht in der Aktion selbst, sondern in einem Vorfall, der erst wenige Tage zurückliegt: der Mahnwachenaktion zum Andenken an die von ihren Brüdern ermordete Hatun S., die, so der LSVD, „wie wir um das Recht auf ein eigenes Leben kämpfte“.
Hatun S. war in ihrer Familie offenbar in Ungnade gefallen, weil sie einem westlichen Lebensstil anhing und sich den Wünschen nach einem muslimischen Lebenswandel verweigerte. Dass der LSVD die Courage fand, überhaupt eine Mahnwache zu initiieren, wird ihm nun, insgeheim und keineswegs offiziell, zur Last gelegt: Die Aktion sei okay, aber dass sie von Schwulen und Lesben ausgeht, sorge nicht gerade für Sympathie in den muslimischen Communities. Kein Wort der Anerkennung, heißt es weiter aus dem LSVD, sei gefallen – denn die Solidarität mit allen Frauen, die sich partriarchalen Strukturen verweigern, sei selbstverständlich: Man habe den Auftakt machen müssen, weil andere Organisationen zu bequem oder politisch korrekt waren, um tätig zu werden.
Die Kritik des TBB fällt allerdings anders aus: Safter Cinar, sein Sprecher, mokiert sich darüber, dass in der Presseerklärung des LSVD er wie auch Eren Ünsal (ebenfalls vom TBB) als Unterstützer genannt worden waren – angeblich, ohne ihr Einverständnis einzuholen. Das, so Cinar, sei „unredlich“ und deshalb wolle man mit der Homoorganisation nicht mehr in einem Bündnis arbeiten. Offiziell trägt der TBB die Lesbenaktion mit – an der gestrigen Pressekonferenz, immerhin auf Einladung des Senats, wollte er aber nicht teilnehmen: Das kann, je nach Gemüt, auch als krasse Unhöflichkeit gewertet werden.
Der LSVD, ohne Hilfe des TBB recht besorgt um die multiplikatorische Wirkung seiner Kampagne, glaubt, dass die kommunikative Panne mit den Mahnwachenunterschriften nur ein Vorwand sei: Der TBB sei in seinen eigenen Reihen in puncto Homosexualität während der vergangenen Monate heftig kritisiert worden. Da habe man die Petitesse der zu voreilig gebuchten Unterschriften willkommen geheißen.
JAN FEDDERSEN