: Ostsee wird zweispurig sicherer
Öltanker sollen eigene Routen bekommen. An Engstellen verstärkter Lotsenzwang, Russland will nicht blockieren. Öltransport nimmt rasant zu: 200 Tanker täglich
STOCKHOLM taz ■ Die Ostseeanrainerstaaten haben sich auf einen weiteren Schritt geeinigt, der den wachsenden Schiffsverkehr auf diesem Binnenmeer sicherer machen soll. Für Tanker mit einem Tiefgang von mehr als 12 Metern wurden sowohl im Finnischen Meerbusen als auch in der mittleren und südlichen Ostsee neue eigene Fahrrouten festgelegt. Damit soll der Tankschiffsverkehr nicht nur vom restlichen Schiffsverkehr getrennt werden, um die Kollisionsgefahren zu vermindern, sondern er soll auch insgesamt tieferes Fahrwasser zugewiesen bekommen und weiter entfernt von unter Umweltgesichtspunkten besonders empfindlichen flachen Meeresgebieten vor Öland und Gotland verlaufen. Auch vor Bornholm sollen die Tanker eine eigene „Fahrspur“ bekommen.
Was allerdings an Problemrouten bleibt, sind natürliche Engstellen wie die Kadetrinne vor Mecklenburg-Vorpommern und die Meerengen zwischen den dänischen Inseln. Hier könnten nur verschärfte Navigationsbestimmungen, wie etwa eine ausgeweitete Lotsenpflicht und die Vorschrift, technisch avancierte Navigationsgeräte installiert zu haben, für mehr Sicherheit sorgen. Damit die jetzige Tanker-Fahrstraßen-Abmachung für die Flaggenstaaten aller in der Ostsee verkehrenden Schiffe verbindlich wird, wollen laut Torbjörn Edenius, Chef der Schifffahrtsabteilung der schwedischen Seesicherheitsbehörde Sjöfartsstyrelsen, die Ostseeanrainer nun gemeinsam der UN-Seefahrtsbehörde IMO ihren Vorschlag unterbreiten.
Russland ist zwar offiziell nicht dabei und hatte in der Vergangenheit entsprechende Regelungen blockiert. Laut Edenius will Moskau aber die Vereinbarungen akzeptieren und habe zugesagt, dass auch unter seiner Flagge fahrende Schiffe sich daran halten würden.
Edenius rechnet damit, dass die neuen Bestimmungen von der IMO in ein bis zwei Jahren formal in Kraft gesetzt werden können, womit man auch die Möglichkeit haben werde, Übertretungen zu ahnden. Eine solche neue Schifffahrtsverkehrsordnung ist möglich geworden, nachdem die IMO die Ostsee im vergangenen Jahr zu einem „besonders empfindlichen Meeresgebiet“ klassifiziert hatte.
Seitdem hatten bereits Finnland, Estland und Russland für den Finnischen Meerbusen ein gemeinsames Marine-Kontrollsystem eingerichtet, das den stark angewachsenen Verkehr auf den sich kreuzenden Seewegen zwischen Finnland und Estland und zu den russischen Ostseehäfen im Gebiet von St. Petersburg koordiniert und überwacht. Laut Edenius arbeiten derzeit andere Kommissionen unter anderem an gemeinsamen Vorschlägen zu zwingenden Konstruktionsdetails von Schiffen im Ostseeverkehr und solchen im Zusammenhang mit der Beladung der Öltanker.
Erstmals seit Jahren fielen Umweltschutzorganisationen in diesem Winter zumindest bislang weder einwandige Rostlauben noch Tanker ohne ausreichende Eisverstärkung beim Verkehr zu den russischen Ölhäfen unangenehm auf – obwohl entsprechende formale Verbote noch nicht in Kraft getreten sind und nur für die baltischen Staaten seit deren EU-Beitritt gelten.
Die Ölexporte von Ostseehäfen haben im vergangenen Jahr weiter zugenommen und erstmals die entsprechende Menge der russischen Exporte aus dem Schwarzen Meer übertroffen. Tagtäglich sind zwischen 150 und 200 Tanker von einem der 20 Ölhäfen in der Ostsee unterwegs oder werden dort beladen. Die Öltransportmenge ist von 22 Millionen Tonnen 1995 auf jetzt über 80 Millionen Tonnen jährlich gestiegen und soll sich in den kommenden fünf Jahren auf 150 Millionen Tonnen fast verdoppeln. REINHARD WOLFF