: Besser als eine Tupper-Party
Im Neanderthal-Museum geht es nur am Rande um die Knochenfunde vom Urahn. Schulkindern und Erwachsenen wird die Steinzeit mit Puppen, Workshops und gewitzten Fragen näher gebracht
AUS METTMANN LUTZ DEBUS
Gertrud Kurpiers-Christ sitzt auf einem Baumstamm. Um sie herum liegen Steine, Geweihe, Speere, Krüge und Felle. Warum, will sie von zwanzig staunenden Grundschülern wissen, heißt die Steinzeit Steinzeit? Ein Mädchen mit langem blonden Zopf meldet sich: „Weil damals das Werkzeug aus Stein war.“ Leona war schon einmal im Neanderthal-Museum, sie weiß also Bescheid.
Dann fragt Gertrud Kurpiers-Christ die Kinder nach dem Werkstoff, aus dem heutzutage die Dinge des täglichen Bedarfs hergestellt werden. Handy, Fernseher, Computer oder Game-boy? Die Kinder antworten nach jeder Frage im Chor: „Aus Plastik“. Also, sinniert die Mitarbeiterin des Neanderthal-Museums, müsse die jetzige Epoche dann ja wohl die Plastik-Zeit sein...
Tatsächlich geht es den Museumsmachern in Mettmann nicht nur um trockene Wissensvermittlung über die Vorgeschichte der Menschheit. Die uralten Knochen, die vor 150 Jahren am Ufer der Düssel gefunden wurden, wirken in der ersten Vitrine des Museums eher unspektakulär. Dann aber wird das Leben vor 10.000 Jahren ziemlich plastisch: Zottelig-langhaarige Schaufensterpuppen sehen zwar aus, als seien die den frühen Siebziger Jahren entsprungen, sie demonstrieren aber den Menschen der Spät-Steinzeit.
Wie lang all das Gezeigte schon vergangen ist, zeigt eine überdimensionale Sanduhr: In jeder Sekunde rieseln etwa hundert Sandkörner durch das kleine Loch. Wenn jedes Sandkorn ein Jahr wäre, so das Rechenexempel, müsse man einen ganzen Tag vor dem Sandkegel ausharren, um die Spanne zwischen Beginn der Steinzeit und unserer Gegenwart zu ermessen.
Wie in dem Vortrag für die Neunjährigen werden überall in dem Museum Bezüge zur Gegenwart hergestellt: Der Neandertaler war demnach mitnichten ein dummer Halbaffe. Seine Fähigkeiten, so lautet der Tenor der Ausstellung, sind seinen Epigonen im Laufe der Jahrtausende nur wieder verloren gegangen. Aus dem Feuerstein wurde das Feuerzeug, aus gesammelten Beeren die Tiefkühlpizza.
Dabei gerät die Darstellung mitunter aber auch zum Balanceakt zwischen Zivilisationskritik und Idealisierung des „guten Wilden“. So sei der Neandertaler nur deshalb so aggressiv gewesen, um sich zu behaupten und um zu überleben. Dazu werden dann auf einer Großbildleinwand Aufnahmen aus der Gegenwart gezeigt – von ebenfalls recht atavistisch anmutenden Rugby-Spielen. Ein paar Meter weiter glotzt ein Höhlenmensch als Kontrast in einen Fernseher. Für ihn läuft dort ein zeitgemäßer Dokumentarfilm über die Anfertigung von Faustkeilen mit Steinen und Knochen.
Den lebendigen BesucherInnen werden praktischere Workshops angeboten: Vom „Schamanischen Singen“ über „Pfeil-und-Bogen-Bau“ bis zum „Filzen“ und „Knochen schnitzen“ kann sich der interessierte Zivilisierte all das wieder aneignen, was bereits seine Urahnen verlernten.
Auch für Kinder gibt es entsprechende Fortbildungsveranstaltungen. Aus Muscheln wird Schmuck hergestellt. Über offenem Feuer wird in Tonkrügen das gegart, was zuvor im Wald gesammelt wurde. Mit Naturfarben werden Höhlenwände mit steinzeitlichen Motiven bemalt.
Inzwischen hat jeder Drittklässler seinen eigenen Krug getöpfert. Wenn er gebrannt ist, so die Steinzeitlehrerin Gertrud Kurpiers-Christ, könne man darin übrigens viele verschiedene Lebensmittel lagern. Denn durch den Ton gelange die Feuchtigkeit zwar nach außen, drinnen bliebe das Essen aber lange haltbar. „Das ist ja besser als Tupper-Ware“, ruft eine Achtjährige – ein Kind der Plastikzeit.
Das Neanderthalmuseum in Mettmann steht an dem Platz, wo vor 149 Jahren fossile Skelettreste eines vorzeitlichen Menschen gefunden worden. 1996 eröffnete das architektonisch aufwändig gestaltete Haus, das sich mit den philosophischen Grundfragen befassen will. Die Ausstellung verfolgt den Weg der Menschheit aus den Savannen in die Großstadt. Die Neanderthaler-Figuren wurden anhand von Original-Schädelfunden rekonstruiert. Im Rahmen einer Sonderausstellung „Urmütter der Steinzeit – Bilder weiblicher Schöpfungskraft“, wird derzeit eine Führung zur Rolle von Frauen in den vorzeitlichen Gesellschaften angeboten. ■ Infos: 02104-979715 oder www.neanderthal.de