: Ein Kabinett geht ins Kloster
Vier Tage lang haben sich Niedersachsens Polit-Granden in Klausur die Leviten lesen lassen, herausgekommen ist ein Programm bis zum Jahr 2020. Die SPD würdigte den Versuch: Kloster-Wulff mimt „Staatsschauspieler“
„Nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat“, sagte schon der heilige Benediktus. Da kam das Kabinett um Chef Christian Wulff nicht drumrum, im Kloster Loccum das Niedersachsen-Lied zu schmettern. Trotz Landschulheim-Atmo müssen die geladenen 18 Professoren, Bosse und Demoskopen den Polit-Granden bei ihrer viertägigen Klausur heftig die Leviten gelesen haben.
„Politik muss die Kraft haben zu sagen: Es ist zwar abscheulich, was ich tue, aber ist notwendig“, zitierte Wulff Alt-Bischof Horst Hirschler.
Natürlich hat der laut aktuellen Umfragen gerade „beliebteste Politiker“ Deutschlands, der heute vor zwei Jahren den Amtseid ablegte, alles abscheulich richtig gemacht: Bürokratie und Jobs geschliffen, für Optimismus gesorgt. Aber bei 12,3 Prozent Arbeitslosen im Land, räumte Wulff gestern ein, „drückt sich das erst im bescheidenen Rahmen aus.“
Von einem „überforderten Staat mit überforderten Bürgern“ hatte Thomas Heilmann, Agentur-Chef von Scholz & Friends gesprochen, Wulff will Patient Deutschland mit mehr Integration heilen. Man müsse Einwanderer stärker „fordern“, hatte der Osnabrücker Migrationsforscher Klaus Bade beim spirituellen Consulting festgestellt. Aber viele hätten inzwischen das Gefühl der „sublimen Form der Missachtung“.
“Erfolgserlebnisse statt Frust und Angst, vor allem für Migrantenkinder“, forderte also der Regierungschef, dessen Partei jahrzehntelang behauptet hatte, „Deutschland ist kein Einwanderungsland“.
Um junge Ausländer zu integrieren, will Wulff den Religionsunterricht „in spätestens zehn Jahren“ per Konkordat – wie bei den Katholiken und Protestanten – auch mit Muslimen vertraglich regeln. Ob das reicht?
Das Geld, das aus der Oberstufen-Reform frei wird, will er in die frühkindliche Erziehung stecken. Weil der Göttinger Hirnforscher Gerald Hüther erklärt hatte, die Zeit zwischen Vier und Sechs sei für die Knirpse „entscheidend“, werde hier der Mitteleinsatz „ganz gewiss intensiviert“, sagte Wulff. Auch wolle er „mit den Kommunen über die Betreuung von Kindern zwischen ein und drei Jahren“ reden.
Um zu sparen, sollen Beamte wie bereits die Landesangestellten eine Stunde länger pro Woche schuften, das tatsächliche Renteneintrittsalter müsse steigen. Dennoch: „Konkretes“ will Wulff aus der „Zukunftsklausur“ nicht mitgenommen haben, nur ein Programm vielleicht bis zum Jahr 2020.
„In der Rolle des Staatsschauspielers“ habe sich der Kloster-Wulff geriert, ätzte später SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel. Den „präsidialen Landesvater“ habe der CDUler aber nur gemimt und dabei „Politik durch eine – zugegebenermaßen professionelle – Nachdenklichkeitsinszenierung“ ersetzt.
Kai Schöneberg