entdeckung der faulheit
: Fröhliche Anpasser

Wer aus der Mittelschicht stammt und auf eine Firmenkarriere hofft, der hat die Gesetze der Wirtschaft nicht verstanden. Lustvoll und drastisch rechnet die 41-jährige Pariserin Corinne Maier mit den Illusionen ihrer Generation ab: „Das Unternehmen ist am Ende. Es ist nicht mehr der Ort des Erfolgs. Der soziale Aufstieg ist blockiert. Die Sicherheitsgarantie der Diplome schwindet dahin, die Renten sind in Gefahr.“

Statt zu fördern, fordert das Unternehmen nur noch, macht in Zeiten der Arbeitslosigkeit seine Angestellten zu fügsamen Sklaven. Engagement zwecklos. Denn eigenständiges Denken wird bestraft, es zählt allein der Gruppenzwang: „Sie werden nicht danach beurteilt, wie Sie Ihre Arbeit erledigen, sondern nach Ihrer Fähigkeit, sich brav an das propagierte Modell anzupassen.“ Also rät Maier zur Subversion, zur inneren Kündigung, zum Mimikri-Stress: „Ahmen Sie ohne großen Kraftaufwand das Verhalten des typischen mittleren Angestellten nach.“

Zehn Gebote formuliert Maier für den pfiffigen Arbeitnehmer und empfiehlt etwa, im Unternehmen „die überflüssigen Stellen“ anzusteuern wie „Beratung, Gutachten, Forschung, Untersuchung“. Denn „je nutzloser Sie sind, umso weniger kann man Ihren ‚Beitrag zur Schöpfung von Reichtum im Unternehmen‘ quantifizieren.“ Wichtig: „Meiden Sie operative Posten (‚vor Ort‘) wie die Pest.“ Denn da müsse man tatsächlich arbeiten.

Maier schreibt aus eigener Erfahrung. Sie hat Politologie und Volkswirtschaft studiert, hat nebenher eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin absolviert und mehrere Bücher verfasst, etwa über Lacan oder Casanova. Dennoch kam die 41-Jährige bisher nicht voran; die zweifache Mutter blieb eine überqualifizierte Teilzeitkraft beim französischen Staatskonzern EDF. Dort war man nicht begeistert über den Text der schreibfreudigen Angestellten – und drohte mit einem Disziplinarverfahren. Einzige Konsequenz: ein gigantischer PR-Schaden für den Energiekonzern. Denn nun interessierten sich die Medien erst recht für das schmale Werk; inzwischen wurden 250.000 Exemplare in Frankreich abgesetzt.

Maier wollte ausdrücklich eine Polemik schreiben. Die Analyseteile geraten entsprechend schwach; zum Thema Globalisierung oder New Economy sind nur hinreichend bekannte Plattheiten zu finden. Das ist kein Vorwurf, sondern zu erwarten bei einem Buch, das sich schon in der zehnten Zeile „provozierend“ nennt.

Zugleich ist es ein sehr französisches Buch. Es zielt ausdrücklich auf den „mittleren Angestellten“. Klassenschranken gibt es auch in Deutschland, aber hier sind sie subtiler vermittelt als in Frankreich, wo in den großen Staatskonzernen noch immer die Absolventen der Grandes Écoles herrschen. Zwar gibt es landesweite Wettbewerbe, um einen Platz in diesen angesehenen Verwaltungshochschulen zu ergattern. Doch ist dies nur eine Scheindemokratie, tatsächlich setzen sich vor allem die Sprösslinge der Elite durch. Bitter schreibt Maier: „Als mittlerer Angestellter sind Sie dazu verdammt, immer mittlerer Angestellter zu bleiben […] der leitende Angestellte hingegen entstammt einem nobleren Palast.“

Auch in der Bundesrepublik existiert die Zielgruppe der frustrierten Angestellten. So wird im Buch eine Gallup-Studie zitiert, nach der 87 Prozent der Deutschen „keine echte Verpflichtung gegenüber ihrer Arbeit empfinden“, 18 Prozent hätten „die innere Kündigung bereits vollzogen“, in Frankreich seien es allerdings schon 31 Prozent. Doch auch hier werden viele gern nachlesen, dass sie in Wahrheit nur mit „Dummköpfen“ und „Waschlappen“ zusammenarbeiten. ULRIKE HERRMANN

Corinne Maier: „Die Entdeckung der Faulheit. Von der Kunst, bei der Arbeit möglichst wenig zu tun“. Aus dem Französischen von Hanna van Laak. Goldmann Verlag, München 2005, 160 Seiten, 12 Euro