piwik no script img

Archiv-Artikel

Spare in der Zeit, dann hast du …

Reform des EU-Stabilitätspakts setzt auf mehr Flexibilität: In guten Zeiten sollen Mitgliedsländer Rücklagen bilden, dafür winkt mehr Nachsicht in Konjunkturkrisen

BRÜSSEL taz ■ Heute Abend werden die zwölf Finanzminister der Euroländer über die Reform des Stabilitätspaktes beraten. Auch dabei sein wird der amtierende Ratsvorsitzende Jean-Claude Juncker. Er ist Luxemburgs Wirtschaftsminister sowie Regierungschef in Personalunion und hat das ehrgeizige Ziel, die Reform bis zum Frühjahrsgipfel Ende März abstimmungsreif zu machen.

Der Ratsvorsitzende und die EU-Kommission ziehen dabei an einem Strang, ihre Vorstellungen liegen nicht weit auseinander. Die in den Medien so genüsslich gewendeten „blauen Briefe“ wird es wohl auch in Zukunft geben. Am Kern, den so genannten Stabilitätskriterien, kann ohnehin nicht gerüttelt werden. Denn dass ein übermäßiges Defizit vorliegt, wenn der öffentliche Schuldenstand 60 Prozent und die Neuverschuldung 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigt, steht in einem Protokoll zum EG-Vertrag und taucht auch im Verfassungsentwurf wieder auf. Wollte man hier etwas verändern, müssten alle 25 Mitgliedsstaaten neu über den Vertrag abstimmen. Währungskommissar Almunia hatte schon vergangenen Mittwoch in Berlin betont, das strikte Korsett habe sich einerseits bewährt. Durchschnittlich 5,5 Prozent betrug die Neuverschuldung 1993 in der Eurozone. Elf Jahre später waren es trotz vergleichbarer konjunktureller Lage weniger als 3 Prozent.

Doch künftig sollen die Defizitkriterien im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang gesehen werden. Härter und nachsichtiger zugleich will die EU-Kommission mit den Schuldenmachern umgehen – je nach konjunktureller Situation und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. So sollen sich die Finanzminister auch in den fetten Jahren bald unter strenger Beobachtung wissen. Fällt das tatsächliche Wachstum eines Landes dann höher aus, als es die Rahmendaten erwarten lassen, kann die Kommission verlangen, dass für schlechte Zeiten vorgesorgt wird.

In schlechten Zeiten soll dafür mehr Milde walten. Die Kommission kann dann bei ihrem Urteil berücksichtigen, ob ein Land mit außergewöhnlichen Belastungen zu kämpfen hat und ob es bei der Entschuldung im Prinzip auf dem richtigen Weg ist. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) bekäme also eine Galgenfrist. Ganz herausgerechnet würden solche außergewöhnlichen Belastungen aber nicht. Weder für die deutsche Einheit noch für Rüstungsausgaben, Strukturreformen oder Forschungsmittel soll es einen Bonus geben. Sonst, ist Kommissar Almunia überzeugt, findet das Geschacher im Finanzministerrat kein Ende.

Kritiker monieren schon jetzt, dass diese Reform dem Pakt die Zähne zieht. Vor allem die Europäische Zentralbank, die Deutsche Bundesbank und die kleinen EU-Länder würden am liebsten alles belassen, wie es jetzt ist. Haushaltssünder wie Deutschland, Frankreich, Italien und Griechenland wollen den Pakt dagegen am liebsten still beerdigen. Der Grundgedanke, die Gesamtsituation mehr im Blick zu haben und in guten Zeiten vorzusorgen, ist nicht verkehrt. Zahnlos ist der Stabilitätspakt schließlich schon jetzt, das hat gerade Deutschland zu seinen Gunsten erleben können. DANIELA WEINGÄRTNER