: „Das ist mir noch nie begegnet“
STAATSGEWALT I Die Gefährdung von Polizisten wird nicht ernst genug genommen, findet der Polizeipastor Peter Walther. Er fordert „mehr Rückendeckung“, denn Gewalt werde nie mutwillig von der Polizei ausgelöst
■ ist seit 1983 evangelischer Polizeipastor in Bremen.Foto: Dembski/ BEK
INTERVIEW CHRISTIAN JAKOB
taz: Herr Walther, nach den Krawallen in Hamburg haben Sie „mehr juristische Rückendeckung“ für die Polizei gefordert. Was meinen Sie damit?
Peter Walther: Gewalt gegen Polizisten beginnt mit verbalen Beleidigungen. Und es gibt den Eindruck, dass die Justiz im Süden deutlich anders damit umgeht, wenn Demonstranten Beamte beleidigen, als hier im Norden.
Umgekehrt kann man auch den Eindruck gewinnen, dass die Neigung der Justiz, gewalttätige Polizisten zu bestrafen, äußerst gering ist.
Das weiß ich so nicht, ich weiß, dass es in Bremen zum Beispiel die Verurteilung eines Beamten gegeben hat, obwohl kein Geschädigter zu ermitteln war, und zwar wegen einer Anzeige, die Bürger, die vom Balkon geguckt hatten, gegen ihn erstattet hatten. Der ist verurteilt worden.
Sie fordern mehr juristische Verfolgung von Straftaten gegen Polizisten. Gleichzeitig weigern sich die Innenbehörden, Beamte im Einsatz zu kennzeichnen.
Das war nicht unser Thema, zu dem wir miteinander reden.
Wir könnten es aber zum Thema machen.
Ich bekomme mit, dass Demonstrierende versuchen, ihre Identität so zu schützen, dass sie nicht unmittelbar erkennbar sind. Ich finde auch, dass es legitim ist, das Bürger Zugriff darauf haben, wenn es Übergriffe von irgendwo gibt, dagegen rechtsstaatlich tätig zu werden, indem man weiß, wer einen Übergriff ausagiert hat. Unabhängig davon, ob das eine Zivilperson, ein Polizeibeamter, oder wer auch immer ist. Von daher halte ich dieses Thema „Kennzeichnung“ für eines, das mit aller Sorgfalt erwogen werden muss. Ich weiß nicht, warum das abgelehnt wird. Es hat sicher was mit Identitätsschutz von Beamten zu tun, die nicht als Privatpersonen agieren, sondern als Exekutive des Staates, dass man sie nicht öffentlich kennzeichnet.
Sie kritisieren, dass „das Gemeinwesen die zunehmende Gefährdung von Polizisten nicht ernst nimmt“. Dabei werden die immer weiter aufgerüstet. Letztes Jahr wurde einem Demonstranten in Hamburg ein Ohr abgeschlagen, auch am vergangene Wochenende gab es Schwerverletzte.
Polizisten werden in Einsätze geschickt, die möglicherweise gefährlich für sie sind. Der Dienstherr trägt deshalb die Verantwortung für ihr körperliches Wohlergehen. Ich will keine Verletzungen schönreden. Aber dass Polizei von sich aus losgeht und einfach so Gewalt anzettelt und Leute verletzt, ist mir noch nicht begegnet. Und dass die Ausrüstung der Polizei von sich aus Gewalt hervorruft, wie Sie das sagen, halte ich für falsch.
Solche Konfrontationen unterliegen einer starken Asymmetrie: Die Polizisten sind mit modernsten Mitteln gepanzert.
Ja, der Passivschutz ist deutlich verstärkt worden. Das ist eine deeskalierende Maßnahme.
Bei Demonstranten nennt man es aber „passive Bewaffnung“. Gibt es hier keine Schieflage?
Wenn es Unbeteiligte, die nicht gewalttätig gewesen sind, trifft, ist das zu bedauern. Aber wer in eine solche Situation geht und sich mit Schutzkleidung ausrüstet, der rechnet damit, dass es zu Gewalt kommt, und ich gehe davon aus, in einem demokratisch so kontrollierten Gemeinwesen, wie unseres es ist, dass nicht mutwillig von Polizeiseite diese Gewalt ausgelöst wird. Friedlich demonstrierende Menschen sind nach unserer Grundordnung geschützt.
Sie wissen, dass das in der Praxis oft anders ist.
Ja, dadurch, dass eskalierende Gewalt geschieht.
Auf der Innenministerkonferenz war Gewalt gegen Polizisten das Thema – da ist doch Rückendeckung.
Ich habe auch nicht gesagt, dass es politische Versäumnisse gebe. Die Politik muss sich aber um das Thema kümmern, denn sie hat das Primat bei solchen Einsätzen. Es ist nicht die persönliche Entscheidung der Polizisten, zum Beispiel einen Naziaufmarsch zu bewachen. Freiwillig würden sie da niemals hingehen, das geht denen oft völlig gegen den Strich.