Finger auf die Kunst

Das Porträt „This not that“ (3sat, 23.10 Uhr) zeichnet die Konturen des Konzeptkünstlers John Baldessari nach

Die Eingangsszene lässt das Herz jedes Ikonoklasten höher schlagen: Der Künstler, jung und ungestüm, tritt seine Leinwände ein, trampelt sie kaputt, hackt sie zu Müll. Doch wenige Schnitte später sind sie wieder da, größer, farbenprächtiger und teurer denn je: Museumskunst par excellence. Allerdings, gemalt sind sie nicht. Ihre Motive, schwarzweiße Filmstills und farbige Eingriffe – Konturen, die in Blau, Rot, Gelb, Grün, Violett oder Orange nachgezeichnet sind oder mit diesen Primär- und Sekundärfarben ausgefüllte Figuren – sind auf Kunststoffplatten gedruckt und reliefartig übereinander montiert. Sympathischerweise ist John Baldessari, nun alt und arriviert, selbst über ihre Monumentalität erstaunt, die sie an den Wänden der Deutschen Guggenheim in Berlin haben, für die er sie entwarf.

Die Serie „Somewhere Between Almost Right and Not Quite (With Orange)“ beschäftigt sich mit dem Phänomen „Zwischenraum“. Im Zwischenraum zwischen der Bildzerstörung von 1967 und der Berliner Ausstellung 2004 siedelt auch Jan Schmidt-Garre seine Dokumentation „This not that: John Baldessari – Pionier der Konzeptkunst“ an. Das heißt, auch sie markiert – mit Künstlerinterviews, Kritikerkommentaren und dem Aufsuchen alter Schauplätze – Konturen seines Werks, konzentriert sich dazwischen auf eine ganz bestimmte Werkgruppe und entwickelt so zwanglos Baldessaris Kurs in die Konzeptkunst. Ein eigenständiger Weg von der West Coast, also von Kalifornien aus, wo Baldessari 1931 in National City, geboren wurde, parallel zur New Yorker Fassung Laurence Weiners. Aus dieser Verortung heraus bleibt die visuelle, malerische Spur in Baldessaris Werk vielleicht deutlicher. Die vorgefundenen Fotografien, gern Filmstills, mit denen er nach ersten Textarbeiten experimentierte, tragen immer ein Stück Hollywood in sein Werk.

Auch hier folgt Schmidt-Garre seinem Protagonisten, mit einer sehr filmischen Reise zu einem der Sonntagsmaler, die für Baldessaris „Auftragsbilder“ (1969) je eine zeigende Hand malten. Denn so definierte der Künstler Al Held die Konzeptkunst: „Sie begnügt sich damit, auf ein Ding zu zeigen.“ Damit ist es in einer Dokumentation nicht getan, und so kommt Baldessari selbst zu Wort, das große Vergnügen dieser 60 Minuten zur zeitgenössischen Kunst. In seiner lapidaren Redeweise erklärt er am besten, dass Auswahl, nicht Kunst, das Entscheidende sei. Und so ist es besonders schön, wenn er berichtet, erst kürzlich habe ein Museumskurator zu ihm gesagt, seine Bilder fingen langsam an, wie Kunst auszusehen. „Auf lange Sicht“, so Baldessari, „kann man einfach nicht gewinnen.“

BRIGITTE WERNEBURG