Neues vom Fortschritt

Die Cebit ist die Bikershow der Silikonwelt. Und wie es sich da gehört, gab es Zoff: zwischen Sony und Siemens

Eigentlich hat das Internet schon vor Jahren die Hannoveraner Computermesse Cebit überflüssig gemacht. Sie findet trotzdem statt und hat wie immer Sensationen anzubieten, die alle schon längst im Web zu sehen (und zu bereden) waren. Aber man trifft sich eben gerne in Hannover, um zu tratschen. Wirklich neuartige Software gibt es allerdings schon lange nicht mehr, aber bei den Hardwarefüchsen geht es dafür zu wie auf einer Bikershow. Die Chipsätze i945P, i945G und i955X für die LGA775-Prozessoren Pentium D, Pentium 4 und Celeron von Intel unterstützen jetzt auch 4 oder sogar 8 Gigabyte DDR SDRAM. Boah. („DDR“ ist nicht die DDR, sondern die „Double Data Rate“ für das „Synchronous Dynamic Random Access Memory“).

Man sieht daran sofort, dass der Fortschritt nicht aufzuhalten ist. Auch in der Wetware der Gene nicht. Deswegen hat die Paul-Ehrlich-Stiftung in Frankfurt an Ian Wilmut, den Konstrukteur des Klonschafs Dolly, einen Preis von 100.000 Euro verliehen. Weil die Bundesregierung davon 42.500 Euro bezahlt, gibt es Ärger, denn die Bundesregierung ist schwer gegen das Klonen an sich. Wilmut ist schwer dafür und will das Geld für seine Forschungen an Stammzellen verwenden. Wegnehmen kann man es ihm nicht mehr. Jetzt sind alle sauer, der sozialdemokratische Technikfolgenabschätzer Catenhusen spricht von einem „unerwünschten Signal“.

Nicht besonders gut ist aber auch den Firmen Siemens und Fujitsu bekommen – um in die saubere Silikonwelt der Cebit zurückzukehren –, was sie dort auf dem „Fun Tech Palazzo“ zwischen den Hallen 22 und 26 an Fortschritt vorführen wollten. Nämlich die Website „mp3shop4you“, von der alle möglichen Hits für nur 79 Cent das Stück heruntergeladen werden könnten. Die Website ist rechtzeitig zur Cebit fertig geworden, aber zu holen gibt es nichts. Die ebenfalls auf der Cebit ausstellenden Firmen Sony und Universal Music haben es nicht geradezu verboten, aber darauf hingewiesen, dass es ein unerwünschtes Signal sei.

Aber auch in dieser Frage hinkt die Cebit wie immer den USA hinterher. Dort fordert das sehr angesehene „Center for Democraty and Technology“ die staatlichen Wettbewerbshüter auf, gegen Websites vorzugehen, die für 30 bis 40 Dollar „100 Prozent legale“ Downloads von Musikstücken versprechen. Das sei unfair, weil dieselben Stücke ja auch völlig kostenlos aus den Tauschnetzen zu holen seien. Haben nun Siemens und Fujitsu nicht nur gegen das Urheber-, sondern auch noch gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen, weil man die Stücke, die bei ihnen 79 Cent kosten, ebenfalls kostenlos bei Tauschpartnern haben kann?

Axel Jahn, der hier bereits vorgestellte Erfinder des weltweiten Diaabends findet diesen Fortschritt so verwirrend, dass er zur Sicherheit einfach das „ftp“-Programm zum Hochladen von Daten und den Browser, mit dem man sie anschaut, noch einmal erfunden hat. Seine nagelneue Software, sagte er auf der Cebit, sei „kostenlos“, und könne eben genau das: Fotos auf den Webserver laden und dann anzeigen. Schön, dass wir noch mal über das Internet geredet haben.

NIKLAUS HABLÜTZEL