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Archiv-Artikel

Wie das Leben meiner Westmutter

betr.: „Pssst! Mutti war die Beste“ von Barbara Bollwahn, taz vom 8. 3. 05

Ich bin voll und ganz Ihrer Meinung. Ich bin in Zwickau aufgewachsen und auch für meine Mutti war es selbstverständlich zu arbeiten und zwei Kinder zu haben. Dabei hat weder sie noch sonst irgendjemand jemals von einer Doppelbelastung gesprochen. Auch ich habe mein Wunschkind (hoffentlich bald zwei), bin verheiratet, gehe Vollzeit arbeiten und absolviere nebenbei eine Weiterbildung für zirka zwei Jahre. Und nichts davon möchte ich aufgeben.

Hat man als Mensch nicht auch eine Aufgabe, nämlich Kinder zu bekommen? Schlimm finde ich in unserer Gesellschaft, dass jeder nur an sich selbst denkt und viele nicht bereit sind, sich etwas einzuschränken. Denn alles ist machbar, manches dauert nur etwas länger. Und wer Kinder oder Familie immer nur als Belastung bezeichnet, dem hat leider in seiner Kindheit oder in seiner Erziehung etwas gefehlt. KATRIN DECKERT, Zwickau

Ach, sieh an, habe ich gedacht, als ich am Dienstag den Artikel von Barbara Bollwahn las, das war ja prima in der DDR. Frauen und Männer waren gleich, irgendwie. Gleiche Rechte, gleiche Pflichten. Und immerhin war Mutti Landwirtin, nicht Landwirt. Da konnte sie den Titel Hausmeister gut ab. Hut ab!

Von dieser Stelle an jedoch klang es wie das Leben meiner Mutter im Westen: Haushalt, Kinder, Garten, Gelegenheitsjobs, das Herrschaftsregime meines Vaters erdulden – was bei meiner Mutter doch eher ein „erleiden“ war. Sie war nie „immer gut gelaunt“. Das Paschaverhalten meines Vaters hat ihr doch sehr gestunken. Vielleicht war er nicht so ein toller Typ wie Herr Bollwahn.

Mit anderen Worten: Hüben wie drüben war doch vieles gleich – nur scheinen die Frauen hier eher die bizarre Situation geschnallt zu haben. Zum Glück! Interessant ist, dass das Resultat im Osten und im Westen identisch ist: Die Töchter haben keinen Bock auf die Fortsetzung der Rolle ihrer Mütter, ob diese nun gut- oder übellaunig waren. REGINA ALBRECHT, Essen

Womit lässt sich Gendering à la DDR besser illustrieren, als mit dem schönen Lied „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht …“? Auch ich musste wie alle anderen Grundschüler in der DDR dieses Lied auswendig lernen. Stolz sollten wir auf unsere berufstätigen Mütter sein und ihr am Frauentag Blumen schenken. Und im Haushalt helfen, wie es im Lied heißt: „Staub hab ich schon oft gewischt, wie wird sich Mutti freun.“ Das dicke Ende kommt in der dritten Strophe, da erfährt man nämlich, wer dieses artige, hilfsbereite Kind ist: „Ich habe auch ein Puppenkind, das ist ganz lieb und fein. Für dieses kann ich ganz allein die richt’ge Mutti sein.“ Jungen sollten sich eher in so Liedern wie „Wenn ich groß bin, gehe ich zur Volksarmee“ wiederfinden.

Dass Ostfrauen sich weniger für feministische Themen und Genderdiskussionen interessieren, kann auch daran liegen, dass in der DDR keine offenen Diskussionen über Geschlechterrollen geführt wurden. Feminismus, sexuelle Revolution etc. wurden meiner Erinnerung nach eher als dekadente Auswüchse der verdorbenen kapitalistischen Gesellschaft behandelt. Dass Barbara Bollwahn diese Haltung weiter tradiert, weist sie als typischen „Besser-Ossi“ aus, führt aber nicht weiter. Denn auch Ostfrauen und -männer müssen sich nun leider mit dem Gendering à la BRD auseinander setzen, und dafür ist mir der Artikel einfach zu launig!

BIRGER HOHENWALDT, Bochum