zwangsehe: Unser aller Problem
Das Maßnahmenbündel gegen Zwangsheiraten, das die Abgeordneten im Landesparlament am Donnerstag beschließen wollen, ist ein Fortschritt. Man mag es ja unappetitlich finden, dass es erst jetzt, nach dem Ehrenmord an zwei zwangsverheirateten Frauen türkischer Herkunft, angepackt wurde. Es ist auch fraglich, ob das Land in dieser Frage überhaupt viel zu melden hat. Aber dass hier ein brennendes Problem existiert, ist unübersehbar – auch dann, wenn nachvollziehbar ist, dass sich die türkische Community der Hauptstadt mittlerweile ein wenig gejagt fühlt nach der Multikulti-Debatte des vergangenen Jahres in Folge des Van-Gogh-Mordes und der Diskussion über das Massaker an den Armeniern vor 90 Jahren.
KOMMENTAR VON PHILIPP GESSLER
Gleichzeitig ist offensichtlich, dass schärfere Strafen gegen Zwangsheiraten nur die eine Seite der Medaille sind: sicher notwendig, aber nicht ausreichend. Mehr Hilfen für zwangsverheiratete Frauen sind ebenso wichtig. Und natürlich können weder das Strafrecht noch soziale Hilfen das Phänomen Zwangsehe wirklich beseitigen. Dazu bedarf es des Umdenkens in Familien, in denen Zwangsehe immer noch eine akzeptierte Form des Beharrens auf kultureller Identität ist. Das aber kann dauern.
Bis dahin kann die kritische Öffentlichkeit – die deutsche und die der Migranten selbst – nicht mehr tun als die Zwangsehe deutlich zu ächten. Die Frauendemonstration am 5. März war da ein richtiger Schritt. Die deutsche Mehrheitsgesellschaft muss lernen, dass Zwangsehen kein fremdes Problem sind, mit dem man nichts zu schaffen hat. Zwangsehen sind zu unser aller Problem geworden, das uns alle angeht, die wir in dieser Gesellschaft leben. Das sind die Mühen einer Debatte um ernst gemeinte Integration.
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