Nach Jahren ausgepackt

Stiefvater wegen sexueller Misshandlung der Tochter nach 15 Jahren vor Gericht. Angeklagter schweigt

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder findet vornehmlich im persönlichen Umfeld, überwiegend in der eigenen Familie statt: Verwandte, Väter oder Stiefväter, die ihre Kinder missbrauchen. Über Jahre nutzen sie deren Angst und Abhängigkeit aus, in der Hoffnung, es werde schon nie etwas herauskommen. Doch wenn der Mut gefasst wird, das Schweigen zu brechen, kann es selbst nach Jahren zu Anzeige und Prozess kommen. So muss sich der 62-jährige Paul P. seit gestern wegen des Tatbestands des „sexuellen Missbrauchs“ seiner Stieftochter Diana (Name geändert) in 66 Fällen verantworten.

Laut Anklage nutzte P. vornehmlich Familienausflüge oder Urlaube, um die damals gerade erst zehn Jahre alte Diana zu drängen, an ihm sexuelle Handlungen vorzunehmen – 66 Mal soll P. das Mädchen zwischen 1988 und 1991 sexuell genötigt haben. Die Fälle davor sind juristisch verjährt und auch ein sexualisierter Übergriff aus dem Jahr 1996 wurde in den Anklage-Katalog nicht mit aufgenommen, obwohl es sich heute formal um eine Vergewaltigung handeln könnte, da damals der Tatbestand der „Ausnutzung“ noch nicht im Gesetz verankert war. „Sie hat es Jahre lang weggeschluckt“, sagt ihre Nebeklageanwältin Ursula Ehrhardt. Erst als Dianas jüngere Schwester auch Opfer der sexualisierten Gewalt P‘s wurde und ihr darüber berichtete, habe sie laut Ehrhardt gesagt: „Jetzt reicht‘s – jetzt pack ich aus!“

Vor Gericht schweigt P. Sein Verteidiger beantragte stattdessen – sehr zum Argwohn der heute 27-jährigen Frau – den Ausschluss der Öffentlichkeit, da durch ihre Aussage „Intimes“ über P.s „Sexualleben an die Öffentlichkeit“ gelangen würde. Ehrhardt bedauerte dies: „Manchmal kann die Öffentlichkeit auch eine Schutzfunktion für das Opfer haben.“ KVA