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Archiv-Artikel

Mit Ausrufezeichen

LEBENSHILFE Die Leipziger Illustratorin Yvonne Kuschel zeichnet praktische Tipps für Unentschlossene

„Das Schild hat mich angerührt. Als würde man zu Gott beten und nicht dran glauben“

YVONNE KUSCHEL, ILLUSTRATORIN

VON ANJA MAIER

Yvonne Kuschel raste über die Autobahn. Mit 160 Sachen im Tiefflug Richtung Berlin. Plattes Land, am Straßenrand segelten schmächtige Kiefernwälder vorbei. Da tauchte am Horizont dieses Schild auf. Riesig war es, und erst konnte Kuschel gar nicht entziffern, was da in weißer Schrift auf grünem Grund stand. Im Vorbeirauschen erhaschte sie die Botschaft: „TU WAS“, stand da, „RETTE DEN WALD“.

„Ich war total angerührt“, erzählt die Künstlerin von ihrer ersten Begegnung mit dem Tu-was-Schild, „das war wie ein Hilfeschrei – aber ohne Ausrufezeichen. Als würde man zu Gott beten und nicht dran glauben.“ Denn was, bitte schön, soll jemand, der über eine deutsche Autobahn rast, für „den Wald“ tun? Rechts ranfahren und die nächstbeste Kiefer umarmen? Weiterfahren und daheim das Auto in die Schrottpresse geben?

Yvonne Kuschel beschloss, den Hilfeschrei künstlerisch aufzugreifen. Seit acht Jahren beglückt die Illustratorin nun die Welt mit ihren Tu-was!-Bildern. Zuerst hat sie, die Professorin an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, quasi für den Hausgebrauch gezeichnet: Postkarten, Neujahrsgrüße für Freunde. Nun hat der Kunstmann-Verlag ein kleines Buch daraus gemacht, das im August erscheint. „Tu was! Ändere dein Leben!“ heißt es. Zwei Ausrufezeichen im Titel. Auf 56 Seiten gibt Kuschel Tipps für alle, die Hilfe gut gebrauchen können.

Irritiert stolpern die Männer und Frauen durch Kuschels Buch. „Traue deinen Augen“, rät die Zeichnerin dem Restaurantgast, der mit Stielaugen auf den wunderschönen Busenpudding auf seinem Teller starrt. „Entdecke verwandte Seelen“, flüstert sie der rothaarigen Frau zu, die zwar die Fische im Aquarium bestaunt, nicht aber den Mann sieht, der sie von weitem beobachtet. Beherzt fordert sie die Frau, die kurz davor steht, abzustürzen, auf: „Finde dein Glück“.

Yvonne Kuschel befolgt ihren eigenen Rat schon immer. Sie ändert sich, gerne räumlich. 1958 in Danzig geboren, studierte sie in Bielefeld Design und arbeitete als freie Zeichnerin in Hamburg, Bielefeld und Nürnberg. Ab Mitte der Neunziger lebte sie in Berlin, 2003 ging sie nach Leipzig. Berlin hatte sich offenbar ein bisschen zu sehr verändert. „Und Leipzig schien mir okay“, sagt sie, „ich bin ja eh so ein bisschen heimatlos.“

■ Yvonne Kuschel: „Tu was! Ändere dein Leben!“. Kunstmann, 56 Seiten, 7,90 Euro