: Geschick und Familienanschluss
HANDBALL Eher glücklich gelang einem Klub aus dem niedersächsischen Burgdorf der Aufstieg in die Erste Liga. So zog er um ins nahe Hannover und hat noch viel zu erledigen, ehe im September die Saison beginnen kann
VON CHRISTIAN OTTO
Sie suchen noch. Nach einem neuem Rückraumspieler. Nach weiteren Sponsoren. Und nach dem richtigen Ort für ihre Geschäftsstelle – die erste in der Vereinsgeschichte überhaupt. Anfang Juni in die 1. Bundesliga gestürmt, stellen die Handballer der TSV Hannover-Burgdorf ihren Klub vor eine erstaunliche Aufgabe. „Die Zeichen“, sagt Diethard Mühge, „sind nicht die positivsten.“ Als Geschäftsführer eines Klubs, dessen Spieler zuletzt besser trafen, als sich ihr Verein entwickeln konnte, putzt er in diesen Tagen Klinken. Es gibt dankbarere Aufgaben – mitten in der Finanzkrise und nach einer Saison, die das Image der vermeintlich besten Liga der Welt beschädigt hat.
Es war ein Wurf in letzter Sekunde: Im Relegationsspiel gegen die TSG Friesenheim traf Jacek Bedzikowski mit dem Abpfiff per Freiwurf. Es waren aber auch die finanziellen Eigentore der HSG Nordhorn, von TuSEM Essen und des Stralsunder HV, die für Zweitliga-Vizemeister Burgdorf eine nachträgliche Aufstiegschance ermöglichten. In einer Liga, die durch angebliche Schiedsrichter-Bestechungen und insolvente Zwangsabsteiger überschattet wurde, kann sich die TSV glücklich schätzen, als kleiner Verein vom Lande zumindest einen zuverlässigen Partner zu haben: Den bisherigen Etat – rund 1,3 Millionen – stemmte fast alleine ein Veterinär-Pharmaunternehmen.
Wer in der Ersten Liga bestehen will, braucht aber mindestens zwei Millionen Euro. Also muss jemand wie Mühge dafür sorgen, dass die Skepsis am Ende nicht größer ist als der Kreis der Hauptsponsoren. „Wir haben bei unserer Bank keinen Überziehungskredit“, sagt der 65-Jährige, „und machen keine krummen Geschäfte.“
Das Publikum zögert derweil noch: Um mehr Zuschauer anzulocken, ist die kleine TSV Burgdorf 30 Kilometer weiter in das große Hannover umgezogen. Der umfirmierten TSV Hannover-Burgdorf wollten in der biederen AWD-Hall, die 4.500 Zuschauer fasst, zuletzt im Schnitt nur 1.000 Besucher zusehen. „Wir sind noch nicht in Hannover angekommen“, sagt Mühge, der zusammen mit Trainer Frank Carstens und dem sportlichen Leiter Stefan Wyss die TSV etablieren soll – in Hannover und der 1. Liga. Deshalb soll der ganze Papierkram endlich aus seinem privatem Arbeitszimmer heraus und in eine Geschäftsstelle, die dann auch professionellen Kartenvorverkauf ermöglichte. Ein verwandelter Freiwurf in letzter Sekunde – verglichen mit den Umbauarbeiten, die bis zum Saisonstart Anfang September noch anstehen, klingt das beinahe wie ein Kinderspiel.
Ein mäßig ausgestatteter Verein hat im Handball-Oberhaus verschiedene Möglichkeiten. Weil die Burgdorfer nicht tatenlos auf die Pleiten der Konkurrenz vertrauen wollen, versuchen es die Verantwortlichen mit einer Mischung aus Geschick und Kumpanei: Sportchef Wyss etwa gleicht die fehlende Finanzkraft bei Personalverhandlungen auf seine Art aus – als Stadtführer: Mit Daniel Brack, bei Balingen-Weilstetten zuletzt einer der besten Anspieler der Ersten Liga, drehte er eine Tour durch die vorzeigenswerten Viertel von Hannover. Und der Rückraumspieler ließ sich überzeugen von der Mischung aus familiärer Atmosphäre und Ambition.
Da steht etwa, auf den Fotos von der Aufstiegsfeier, der Sportchef höchstselbst am Grill und wendet die Würstchen. Dass einer wie Brack, der das Zeug zum Nationalspieler hat, seine Zusage allerdings schon gab, als der Aufstieg noch gar nicht feststand, spricht für den Klub: Die monatlichen Überweisungen aus Burgdorf, das hat sich herumgesprochen, kommen pünktlich.