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Archiv-Artikel

Landesminister macht den Abflug

Zur Halbzeitbilanz des Flugverkehrskonzeptes lehnt sich Verkehrsminister Horstmann zurück: Den Luftverkehr könne man nicht beeinflussen, sagt der SPDler. Grüne und Umweltschützer fordern hingegen ein stärkeres Eingreifen des Staates

Dank der Billigflieger kann jede Schicht in die Ferne reisen, sagt der Minister

aus DÜSSELDORFANNIKA JOERES

Axel Horstmann will nicht eingreifen. „Niemand hat den Flugverkehr wirklich in der Hand“, sagte der NRW-Verkehrsminister (SPD) gestern in Düsseldorf. Die Geschäfte der nordrhein-westfälischen Airports seien nun einmal keine „planwirtschaftliche Veranstaltung“. Trotzdem lehnt sich der Minister zufrieden zurück: „Das Flugverkehrskonzept 2010 ist erfolgreich“ sagte er zur Halbzeitbilanz.

Zumindest die großen Flughäfen im Landes können zufrieden sein: Sie sind nach den großen Einbrüchen infolge des Anschlags vom 11. September, der Sars-Epidemie, des Krieges im Irak wieder auf den Wachstumskurs zurückgekehrt. Auf den sechs Airports des Landes wurden im vergangenen Jahr rund 28,4 Millionen Passagiere gezählt, knapp acht Prozent mehr als noch 2003. Im Vergleich zum Jahr 2002 hat sich die Zahl der Fluggäste sogar um mehr als 4,5 Millionen erhöht.

Der größte Gewinner ist der Airport Köln/Bonn. Vor allem dank der Billig-Fluggesellschaften stiegen dort die Passagierzahlen seit 2002 um fast drei Millionen auf 8,3 Millionen. Düsseldorf verzeichnete in vergangenen Jahr ein Plus von rund 1,1 Millionen Passagieren. Der größte Flughafen des Landes liegt mit 15,3 Millionen Fluggästen aber noch rund 800.000 Passagiere hinter seinen Zahlen aus dem Jahr 2000 zurück.

Umweltbedenken plagen Horstmann nicht: Er freut sich über starke Zuwächse bei der Fracht und den so genannten Billigbombern. „So kann jeder Mensch, egal aus welcher Schicht, in andere Länder reisen“, sagte der Sozialdemokrat. Nichts an den Low-Cost-Careern sei anrüchig. Auch die rasant gestiegene Zahl der Frachttransporte um 7,8 Prozent in der Luft findet er positiv. „Die wird es immer geben müssen“, sagt er, „niemand könnte das verhindern“. Horstmann beruft sich auf die europäische Konkurrenz, die ansonsten die Luftfracht übernehmen würde.

Die Grünen in NRW wollen den Flugverkehr nicht sich selbst überlassen – auch wenn sie dem Konzept vor fünf Jahren zugestimmt haben. „Politik muss auch lenken“, sagt Oliver Keymis, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen NRW. Deshalb fordert er, das Konzept noch einmal zu überprüfen. Vor allem über Steuern solle zum Beispiel die Fracht auf die umweltfreundliche Schiene gezwungen werden. „Wir brauchen die Kerosinsteuer und die Mehrwertsteuer für grenzüberschreitende Flüge“, sagt Keymis. „Mit der steuerlichen Freistellung sind der Billigflieger-Hype und Flugpreise von 99 Cent zu erklären.“ Der ökologische Wahnsinn werde auf dem Rücken der Umwelt und der lärmgeplagten AnwohnerInnen ausgetragen.

Aktuelle Studien der Europäischen Union zeigen die gravierenden Auswirkungen des Luftverkehrs, die 2000, als das NRW-Konzept verabschiedet wurdet, noch unterschätzt wurden. Umweltforscher gingen 2000 noch davon aus, dass der Flugverkehr vier Prozent zur weltweiten Co2-Belastung beiträgt, jetzt wird ein mindestens zehnprozentiger Anteil am Kohlendioxid angenommen. Diese neuen Zahlen müssten auch zu einem neuen Konzept führen, sagt Keymis. Er kündigt an, nach einem Wahlerfolg im Mai das Flugverkehrskonzept in den Koalitionsverhandlungen neu zu diskutieren.

Ein neues Konzept wird gerade die kleineren Flughäfen interessieren: Die Grünen sprechen sich generell gegen die regionalen Airports aus. Sie sind zwar in privater Hand, haben aber immer öffentliche Träger und sind somit sehr wohl von Entscheidungen der Politik abhängig. So schießen zum Beispiel die Dortmunder Stadtwerke jedes Jahr 80 Millionen Euro in den Dortmunder Regionalflughafen. Der Flughafen Münster/Osnabrück bekam vom Land die Erlaubnis, seine Startbahn zu verlängern und hofft darüber hinaus jetzt auf Subventionen für die lange Piste. Dies hat Horstmann bereits abgelehnt – auf der bundesweiten Verkehrsministerkonferenz Anfang April will er aber die kleinen Flughäfen stärken. „Sie entwickeln sich von selbst ganz großartig.“