piwik no script img

Archiv-Artikel

berliner szenen Mantra aus Lärm

SunnO))) in Kreuzberg

Zunächst waren da nur zwei Gitarren. Diese lehnten an Verstärkertürmen, die zu einem Halbkreis aufgebaut worden waren, zu einer Art Zeremonienstätte. Die Gitarren erzeugten ohrenbetäubende Drones, eine gefühlte Unendlichkeit lang, immer und immer wieder wurden sie durch die Schleife geschickt. Der Festsaal Kreuzberg bebte, Tische wackelten, man fühlte sich bereits ganz matschig, dabei hatte das Konzert noch nicht begonnen.

Doch dann betraten vier in Mönchskutten gewandete Typen die Bühne: SunnO))), die Band mit dem wahrscheinlich brutalsten und fettesten Gitarrensound aller Zeiten.

Was nun folgte, war Kakophonie. Die selbst gestellte Aufgabe der Band lautet, endlos manipulierte Gitarrenriffs durch eine Verstärkerwand zu jagen und zu prüfen, wie sich diese im Raum verfangen. Eine Stunde lang ging das so, pausenlos, immer dasselbe, ein Mantra aus Noise. Zwischen jedem Saitenanschlag hätten sich die beiden Gitarrenmönche jedes Mal bequem ein neues Bier öffnen können, man hatte alle Zeit der Welt, denn erst mit der Zeit entfalteten diese Drones ihre wahre Pracht.

SunnO))) haben erkannt, dass nach den Geschwindigkeitsrekordversuchen des Deathmetal nur noch der Rausch der Langsamkeit kommen kann. Sie sind vom Minimal genauso beeinflusst wie von Black Sabbath, während sie ihren Hang zum Ritual vom Black Metal übernommen haben. Wie Monstranzen wurden die Gitarren immer wieder vor den Verstärkeraltar gehoben und die Gemeinde mit einem puren Feedbackorgasmus gesegnet. Band, Lärm, Festsaal Kreuzberg und Publikum wurden eins. Nach dem Konzert standen alle mit entrückten Gesichtern da und schienen glücklich zu sein. ANDREAS HARTMANN