„Wie Terri Schiavo“

Auch in Deutschland kann die Magensonde einer Wachkoma-Patientin entfernt werden, sagt Steffen Thoms

taz: Nehmen wir an, der Fall der amerikanischen Wachkoma-Patientin Terri Schiavo spielt in Deutschland. Würde die deutsche Justiz das vom Ehemann beantragte Abschalten der Apparate genehmigen?

Steffen Thoms: Das Vormundschaftsgericht würde das Entfernen der Magensonde erlauben, wenn dies dem geäußerten oder mutmaßlichen Willen der Frau entspricht, die Ärzte keine Hoffnung auf Besserung mehr haben und der rechtliche Betreuer der Patientin dies beantragt.

Gehen wir die einzelnen Voraussetzungen mal durch: Wie stellt man den Willen einer Bewusstlosen fest?

Am einfachsten ist dies, wenn eine Patientenverfügung vorliegt, auf der die Patientin früher schriftlich erklärte, wie sie ärztlich behandelt werden soll, wenn sie einmal entscheidungsunfähig ist.

Was gilt, wenn eine solche Patientenverfügung fehlt?

Dann kommt es auf ihren mutmaßlichen Willen an. Da müssen Verwandte und Freunde befragt werden, ob die Patienten sich früher mal, zum Beispiel anlässlich einer Fernsehsendung, darüber geäußert hat, wie sie im Koma behandelt werden will.

Besteht bei einer Komapatientin Aussicht auf Besserung?

Das ist natürlich eine Frage des Einzelfalls. Wenn aber – wie bei Terri Schiavo – das Großhirn abgestorben ist, dann besteht keine Aussicht auf Besserung mehr – selbst wenn die Medizin in den nächsten Jahren noch große Fortschritte macht.

Ist der Ehemann automatisch der rechtliche Betreuer einer Komapatientin?

Nein, der Betreuer wird vom Vormundschaftsgericht bestellt, meist unter den Angehörigen. Der Ehemann ist dabei aber eine nahe liegende Wahl. Notfalls wird ein Berufsbetreuer bestellt. Denkbar ist, dass die Frau in gesunden Zeiten in einer Betreuungsverfügung festgelegt hat, wer sie betreuen soll. Dann hält sich das Gericht in der Regel daran.

Derzeit wird über ein Gesetz diskutiert, das Patientenverfügungen näher regelt. Sollte das Vormundschaftsgericht auch künftig das letzte Wort haben?

Ja. Es geht hier schließlich um existenzielle Fragen. Da sollte ein Gericht zumindest überprüfen, ob alles regelgerecht abläuft.

Teile des Bundestags sind dagegen, dass eine Patientenverfügung auch für den Fall des Wachkomas verbindlich ist. Teilen Sie diese ethischen Bedenken?

Nein. Es geht hier um das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Dies muss auch im Wachkoma zum Tragen kommen.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH

STEFFEN THOMS, 41, arbeitet als Rechtsanwalt in München und ist Experte für Medizinrecht.