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Archiv-Artikel

Rechts und Ordnung

Gesetzesverschärfungen gegen Neonazi-Konzerte lassen Lücken. Das belegt ein Auftritt in Hamburg im März

Rechtsrock-Konzerte könnten durch eine Verschärfung des Strafrechts unterbunden werden, behaupteten SPD-Innenpolitiker am Dienstag nach einer Konferenz in Hamburg. Denn die Schwelle für Volksverhetzung und Verherrlichung des Nationalsozialismus würde herabgesetzt. Die geplante Novellierung hat allerdings enge Grenzen: „Die öffentliche Ordnung muss durch die Musikveranstaltung gefährdet sein“, räumten die Tagungsteilnehmer ein.

Bisher nutzen Rechtsrocker immer wieder genau solche juristischen Lücken aus. Nicht aus Sorge vor polizeilichen Reaktionen hielten zuletzt am 5. März die Organisatoren die Veranstaltung geheim, sondern aus Angst vor antifaschistischen Protesten. „Wir wussten Bescheid“, bestätigt eine Polizeisprecherin, dass das Konzert angemeldet war. Als die Rechten am Vereinsheim im Marienthal eintrafen, waren auch schon Polizeieinheiten da. Doch die Beamten störten die Neonazis nicht. „Keine nervigen Bullen“ und „Hammer-Konzert“ hieß es später auf den Neonaziwebsites. An die 450 Rechte kamen, um die Bands „Faustrecht“, „Wodan“, „Nordfront“, „Einherjar“ und „Legion of Thor“ zu erleben. „Faustrecht“ aus Kempten beeindruckten am meisten. Ihre CD „Blut, Schweiß und Tränen“ ist indiziert. Nur der Eintrittspreis von 18 Euro war nicht allen Rechten recht.

„Beamte haben die Veranstaltung inspiziert“, betont die Polizei, es habe aber keine Veranlassung zum Eingreifen gegeben. Selbst, dass „Faustrecht“, „Nordfront“ und „Legion of Thor“ eng mit dem verbotenen Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“ (B&H) verwoben waren, verhinderte ihre Auftritte nicht. Seit 2001 bemüht sich der Hamburger Neonaziführer Chrsitian Worch um mehr „Rechtssicherheit in Sachen Musikveranstaltung“. Hamburgs Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck (CDU) bestätigt Worchs Bemühungen, Rechtsrockkonzerte rechtlich abzusichern.

Jetzt könnten die NS-Verherrlichungen mancher Neonazibands zum staatlichen Handeln zwingen. „Kaum eine Rechtsrockband ehrt nicht Rudolf Hess oder andere NS-Helden“, betont Christian Dornbusch, Mitherausgeber des Standardwerkes „Rechtsrock“. Die Bedeutung von Rechtsrock sei für die Neonaziszene längst nicht gesunken. „Die Konzerte festigten die Struktur“, hebt der Sozialwissenschaftler hervor, „und haben eine große Anziehungskraft auf Jugendliche“. Eine neue Studie, an der Dornbusch mitwirkte, offenbart den weiteren Anstieg von Rechtsrockkonzerten und CD-Handel. Andreas Speit