: Spenden ist leichter als helfen
Drei Monate nach der Flutkatastrophe in Südostasien sind die Hilfsorganisationen zufrieden: Die BerlinerInnen spenden großzügig. Viele wollen wissen, wo ihr Geld landet. Als Fazit bleibt: Richtig helfen ist gar nicht so einfach
Beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Berlin ist man über das Misstrauen froh. Drei Monate nach der Flutkatastrophe in Südostasien rufen viele Leute an und erkundigen sich, ob ihr Geld angekommen ist. „Das ist ansonsten nicht so, dass die Spender am Verlauf des Einsatzes interessiert sind“, so Sprecher Lübbo Roewer.
Auch Janina Niemitz-Walter von der „Aktion Deutschland hilft“, die bisher über 100 Millionen Euro für betroffene Gebiete gesammelt hat, sagt: „Die Leute fragen: Ihr habt so viel Geld bekommen, hat das denn auch geholfen?“ Angeprangert werde die zum Teil schwierige Umsetzung von Projekten jedoch nicht, vielmehr hätten die Anrufer ein langfristiges Interesse am Wiederaufbau. Auch, wenn die Flutkatastrophe längst aus dem medialen Fokus verschwunden ist, auch, wenn die Spenden nach sechs bis acht Wochen rapide nachließen. „Noch immer kommen bei uns Tsunami-Gelder an“, sagt DRK-Sprecher Roewer.
Beim DRK ging die Spendenfreudigkeit für Südostasien zu Beginn der Katastrophe auf Kosten anderer Projekte im Sudan oder Kongo. „Es kamen allerdings so viele freie Spenden, dass wir die für andere Gebiete einsetzen konnten“, so Roewer.
Die Johanniter in Berlin hätten in den ersten Januarwochen einen zusätzlichen Mitarbeiter gebraucht. Nur für den Telefondienst. „Es riefen so viele Freiwillige an, die irgendwie vor Ort helfen wollten“, sagt Sprecherin Regina Villavicencio. In den betroffenen Gebieten waren zwar schon genug Hilfskräfte und unausgebildet darf natürlich niemand in den Einsatz, „aber diese große Resonanz in Berlin war überwältigend“, so Villavicencio. Allein am 11. Januar floss eine Million Euro auf das Johanniter-Spendenkonto. Bis heute wurden es 12,2 Millionen.
Etwas weniger Geld hat der Bezirk Neukölln gesammelt. In einem zerstörten Dorf im Süden Sri Lankas sollte mit 70.000 Euro eine Schule wieder aufgebaut werden. Ein Projektteam um die Europaabgeordnete des Bezirks, Jessica Süllke, reiste zwei Tage in die Krisenregion, um die Verträge zu unterzeichnen.
Viele Neuköllner hatten für die Aktion gespendet, Kinder zwackten sogar Geld von ihrem Taschengeld ab, erzählt Süllke. Der Empfang in Sri Lanka war herzlich. Doch kurz vor der Unterschrift stellte sich heraus, dass der Dorfbürgermeister gar nicht befugt war, über solche Investitionen zu entscheiden. Und: Eine japanische Hilfsorganisation hatte den Wiederaufbau der Schule längst übernommen.
„Ich habe gelernt, dass man bei solchen Initiativen einen verlässlichen Partner vor Ort braucht und dass man über offizielle Wege gehen muss, auch wenn die Koordinierung lange dauert“, sagt Süllke. Der Bezirk versucht jetzt, über die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein geeignetes Projekt zu finden. Immerhin liegen die 70.000 Euro bereit, bis heute kommt Geld dazu.
In Lichtenberg wartet man derweil auf Fortschritte. Für ein südindisches Fischerdorf sollte kurz nach der Flutkatastrophe Geld gesammelt werden. PDS-Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich rief jeden Bürger dazu auf, zwei Euro zu spenden. So könnten auch sozial schwächere Lichtenberger helfen. „Die Idee war gut …“, sagt heute ihr Referent Andres Pohnke. „Es lief dann aber anders.“
Denn auf die Einheitsspende hatten die Lichtenberger keine Lust. Über Spendenaufrufe in Sparkassen und Bürgerämtern gaben einige dann trotzdem ein bisschen mehr als zwei Euro und immer noch muss Pohnke Überweisungbescheide abheften. Auch in Lichtenberg merkte man, dass es gar nicht so einfach ist, Hilfsgelder zu verteilen. Bald will der Bezirk erneut dazu aufrufen, ein oder zwei Euro zu geben. „Man muss hartnäckig sein“, sagt Pohnke. PATRICK BAUER