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Archiv-Artikel

Bahnkritiker fürchten: Die Russen kommen

PRIVATISIERUNG Die russische Staatsbahn will womöglich bei der Bahn einsteigen. Und dann?

BERLIN taz | Kritiker des derzeit ausgesetzten Börsengangs der staatseigenen Deutschen Bahn AG befürchten eine Privatisierung durch die Hintertür. Die Bahn plane einen Aktientausch mit der Russischen Staatsbahn, so das Aktionsbündnis „Bahn für alle“, dem unter anderem Gewerkschaften, Verkehrs- und Umweltverbände angehören. Bei den deutsch-russischen Regierungskonsultationen am Donnerstag solle offenbar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für den Deal gewonnen werden, so Bündnissprecher Carl Waßmuth.

Im Gespräch ist demnach eine Beteiligung der russischen Staatsbahn „von deutlich unter fünf Prozent“. Auf die Höhe der Beteiligung komme es aber nicht an, so Waßmuth. Auch ein Verkauf von nur 0,1 Prozent sei ein Einstieg in die Privatisierung. Und diesen könnte der Eigentümer gegen den Willen der neuen Investoren nicht mehr rückgängig machen.

Die Deutsche Bahn AG dementierte ein solches Vorhaben am Dienstag klar. „Das sind reine Spekulationen, die jeglicher Grundlage entbehren“, sagte Konzernsprecher Reinhard Boeckh der taz. Bei den deutsch-russischen Konsultationen am Donnerstag gehe es nur am Rande um Bahnthemen.

Allerdings gibt es im Bahnkonzern schon länger Überlegungen, die Kooperation mit der Russischen Staatsbahn auszubauen – unter anderem, um einen Güterverkehrskorridor zwischen Europa und China einzurichten. Wegen der mangelnden Nachfrage nach Gütertransporten in Folge der Wirtschaftskrise wurden diese Pläne aber mittlerweile auf Eis gelegt.

Selbst wenn am Donnerstag keine russisch-deutschen Bahnverträge unterzeichnet würden, sollten dennoch Weichen gestellt werden, sagt Bahn-für-alle-Sprecher Waßmuth. „Die Russische Staatsbahn, die selbst dringend Geld braucht, könnte die beim Tausch erhaltenen Aktien jederzeit an private Kapitalgruppen weiterverkaufen.“ Im Aufsichtsrat der Bahn säße dann ein privater Investor. Das Kreditranking würde sofort heruntergestuft, so dass zusätzliche Zinsen in Milliardenhöhe anfielen.

Sollte es zu einer Überkreuzbeteiligung zwischen der deutschen und der russischen Bahn kommen, würde die in der großen Koalition mitregierende SPD noch vor der Wahl ein Wahlversprechen brechen, kritisiert Bündnis-Sprecher Waßmuth. Dies würde wohl einen neuen Rekord darstellen. Die Sozialdemokraten hatten auf ihrem Wahlparteitag Mitte Juni eine – auch teilweise – Kapitalprivatisierung der Bahn bis zum Jahr 2013 ausgeschlossen.

Waßmuth sieht auch ein zentrales Argument der Privatisierungsbefürworter widerlegt, sollte es zur Überkreuzbeteiligung kommen. „Angeblich braucht die Deutsche Bahn AG dringend neues Kapital.“ Bei dem geplanten Aktientausch würde bei der Bahn gar kein neues Geld hereinkommen. „Es geht also ganz offensichtlich um das Prinzip: Privatisieren um jeden Preis!“ RICHARD ROTHER