Sex mit Fischen

Was haben Mösen und der Herder Verlag gemeinsam? Eine Skandalgeschichte (2)

„Es war nur die Nase des Fisches, sonst ist nichts passiert. Niemand hat sich wehgetan.“

Was bisher geschah: Der katholische Herder Verlag aus Freiburg hat eine Geschichte von Ralf Sotscheck aus einem demnächst erscheinenden Buch entfernt, weil darin – o Graus! – eine Möse vorkommt. Die Wahrheit druckt den Text in zwei Teilen ab. Im gestrigen ersten Teil fuhren ein paar junge Berliner mit dem Auto nach Schweden und hörten ein Stück von Frank Zappa: „Mud Shark“. Mit dem Songtext über den „Schlamm-Hai“ spielt Zappa auf eine Rock-’n’-Roll-Legende an, die von Groupies, Fischen und Mösen handelt: In Seattle gebe es ein Hotel, von dessen Fenster aus man Fische angeln könne. Und ein Mud Shark wäre in der Möse eines Groupies namens Jackie gelandet. Das erklärt der Amerikaner Joe gerade den Berliner Jungs …

„ … Nun ja“, kicherte Joe, „der Road Manager der Band schob Jackie den lebenden Hai in die Möse.“

Was soll man auch sonst mit einem Hai machen? Von der Geschichte gibt es zahlreiche Variationen, wie ich später herausfand. Mal hieß die Band nicht „Led Zeppelin“, sondern „Vanilla Fudge“. Mal war das Groupie nicht rothaarig, sondern blond. Mal hieß sie nicht Jackie, sondern Caroline. Mal ließ sie das freiwillig geschehen, und manchmal nicht. Mal war es nicht Led Zeppelins Road Manager, sondern Drummer John Bonham. In allen Variationen dieser Geschichte landete der lebende Hai am Ende aber in der Möse. Und was geschah dann? „Das ist nicht überliefert“, sagte Joe. „Alle Geschichten enden mit dem Fisch in der Vagina.“

Richard Cole, der Road Manager, gab später zu, dass er es war. Aber es sei kein Hai gewesen, sondern ein Rotbarsch. Und es war auch nicht der ganze Fisch, sondern nur die Nase, die in das Mädel gestopft wurde. Das Groupie sei tatsächlich rothaarig gewesen, jedenfalls unten herum. Mark Stein von Vanilla Fudge habe das Ereignis auf seiner Videokamera aufgenommen. „Das Mädchen muss 20-mal gekommen sein“, behauptet Cole, „sie war begeistert. Aber es war nur die Nase des Fisches, sonst ist nichts passiert. Niemand hat sich wehgetan.“

Man hätte doch zu gern gewusst, was aus dem Tier geworden ist. Oder aus Jackie. Oder Caroline. Jedenfalls war Zappa von der Geschichte mindestens ebenso beeindruckt wie ich, der Abiturient, dem die Vorstellung von Tieren in weiblichen Geschlechtsteilen bis dahin fremd gewesen war. Zappa war sogar so fasziniert, dass er den Manager vom Edgewater Inn, Martin Tickman, später befragt hat. Das Interview ist auf dem Album „Playground Psychotics“ zu hören: Martin Tickman: „Na ja, Rock-’n’-Roll-Bands und andere Gäste fangen oft Haie und Tintenfische, und meist landen die in der Badewanne oder auf dem Fußboden.“ Frank Zappa: „Was, glauben Sie, geschieht mit diesen Haien, nachdem sie gefangen werden und bevor sie aufgeräumt werden?“ Tickman: „Manchmal rufen die Leute das Personal, um sie wegzuschaffen, weil sie mit den Fischen nichts anfangen können.“ Zappa: „Aber haben sie schon mal davon gehört, dass die Gäste mit den Haien irgendetwas anderes angestellt haben, bevor sie beseitigt wurden?“ Tickman: „Ja, manche nehmen eine Vivisektion vor. Es ist sehr unappetitlich, was sie dann zurücklassen.“ Zappa: „Finden Sie manchmal Fischblut auf dem Laken? Oder haben Sie mal von bizarren sexuellen Handlungen mit Tintenfischen oder Haien in Ihren Zimmern gehört?“ Tickman: „Nein. Ich glaube, ein Hai wäre ein wenig unbequem, weil er solch eine sandige Haut hat. Und dass es jemand mit einem Tintenfisch getrieben hat, habe ich noch nie gehört.“

Aber Zappa hatte davon gehört: Auf der Fillmore-Scheibe ging es mit „What Kind Of Girl Do You Think We Are“ weiter: „Okay: well, I get off bein’ juked with a baby octopus and spewed upon with cream corn!“ Dieser Song ist ebenfalls von Led Zeppelin inspiriert, die Band bestand offenbar aus Tierliebhabern: Einmal sollen sich zwei Groupies in das Hotelzimmer der Band eingeschlichen und ein Bad genommen haben. Als Robert Page dazukam, warf er vier lebende Tintenfische in die Wanne. Die Mädchen hatten angeblich mehr Spaß mit den Fischen als mit den Bandmitgliedern. „Oh mein Gott“, soll eine geschrien haben, „ich muss unbedingt einen davon haben. Es ist wie ein Vibrator mit acht Armen.“

Zurück zum Mud Shark. Wenn man unter diesem Stichwort bei Google im Internet nachschaut, findet man 211.000 Einträge. Die meisten davon haben allerdings nichts mit Zappa und den Mothers zu tun. So gibt es ein „Mud Shark Porter“, ein dunkles Bier, das von der „Fish Brewing Company“ in Olympia hergestellt wird. Fischbier? Und die Firma Schwalbe stellt „Mud Shark Tyres“ her, Reifen für Cross-Country-Motorräder und Geländewagen.

Unser Opel Rekord Coupé war für solche Reifen viel zu elegant. Nach Berlin schaffte er es allerdings nicht mehr. Auf der Rückfahrt von Norwegen leuchtete hinter Flensburg ab und zu eine rote Lampe am Armaturenbrett auf. Dann ging sie wieder aus. Dann leuchtete sie wieder. Die beiden Reiners und ich machten uns Sorgen, doch Peer zerstreute sie: „Macht euch doch nicht lächerlich: so ein großes Auto und so eine kleine Lampe.“ Es waren die berühmten letzten Worte – jedenfalls für das Auto. 150 Kilometer vor Berlin blieb der Wagen mit einem schnarrenden Geräusch liegen: Kolbenfresser. Joe legte wieder die „Mud Shark“-Kassette ein, während wir auf den Abschleppdienst warteten. Spätestens seitdem bin ich Zappa-Fan. RALF SOTSCHECK