Angst vorm Waterloo

Polizeigesetz: Senator Nagel rudert beim Lauschangriff zurück. Datenschützer haben weitere Bedenken

Hamburgs Ex-Datenschutzbeauftragter Hans-Hermann Schrader hatte es Innensenator Udo Nagel kurz vor seinem Ausscheiden im Herbst mit auf den Weg gegeben – er möge doch die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerG) zur Kenntnis nehmen, bevor er grundrechtswidrige Paragraphen ins neue Polizeigesetz schreibe. Nun musste der parteilose Senator, kurz vor Ende des Gesetzgebungsverfahrens, tatsächlich zurückrudern – er hat den Passus zur „verdachtsunabhängigen Telefonüberwachung“ zurückgezogen. Offizielle Begründung: Das BVerG verhandele gerade über diese Problematik im Zusammenhang mit dem niedersächsischen Polizeigesetz.

Dabei ist die grundsätzliche Haltung des BVerG bekannt. Im März 2004 kassierte das Gericht Teile des Außenwirtschaftsgesetzes ein, das präventive Eingriffsrechte der Zollfahndung in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis zuließ. Es sei kein hinnehmbarer Grundrechtseingriff, wenn sich Überwachungsmaßnahmen nur auf einen Verdacht oder Verhaltensweisen stützten, ohne dass es konkrete Tatbestände gibt. (BvF 3/92). Verfassungswidriges wittert auch Schraders Nachfolger Hartmut Lubomierski bei der im Entwurf enthaltenen Generalklausel, nach der die Polizei Handys oder SIM-Karten ohne richterliche Anordnung im Rahmen der Gefahrenabwehr (Gefahr in Verzug) beschlagnahmen und auswerten darf. Eine solche Maßnahme hatte das BVerG ebenso für verfassungswidrig erklärt (2 BvR 308/04).

Der SPD-Innenexperte Andreas Dressel hat Grund zum frohlocken. „Das knackigste Polizeigesetz ist geknackt“, sagt er, „auf das verfassungsrechtliche Waterloo weisen wir seit einem Jahr hin.“ Laut der außerparlamentarischen FDP wäre Nagel gut beraten, würde er nun alle Änderungen wie Videoüberwachung und präventive Personenkontrollen zurückziehen. KAI VON APPEN