minijobs: Fehlgeleitete Wunderwaffe
Die magische Zahl von 5,176 Millionen Arbeitslosen sorgt wieder für Aufmerksamkeit – da kann sich die Politik nur retten, indem sie schnelle Lösung verspricht. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement erkannte schon wieder eine „Trendwende“.
KOMMENTARVON ULRIKE HERRMANN
Außerdem gibt es eine Wunderwaffe, die zwar schon etwas älter ist, aber jetzt ganz neu entdeckt wird: der Minijob. Nun soll er auch für Arbeitslose attraktiver werden, indem sie die Hälfte des Zuverdienstes behalten dürfen. So haben es Kanzler und Opposition auf ihrem Jobgipfel besprochen, so haben es die Grünen gestern wiederholt.
Innerhalb der verqueren Logik der Dauerarbeitslosigkeit ist diese Idee nur konsequent: Es wirkte schon lange seltsam, dass der Staat zwar Millionen von Minijobs subventioniert, indem er weitgehend auf Sozialbeiträge und Steuern verzichtet – nur damit diese Minijobs dann vor allem von Hausfrauen, Studenten und Rentnern ausgefüllt werden. Die Arbeitslosen hingegen blieben bisher außen vor – für sie sollten mit weiteren Milliarden künstliche 1-Euro-Jobs geschaffen werden. Doch bisher kommt das Programm nicht so recht in Gang. Auch weil es nicht einfach ist, zusätzliche Tätigkeiten zu erfinden, die keinem kommerziellen Wettbewerber die Aufträge wegnehmen.
Es ist also nahe liegend, statt auf die 1-Euro-Jobs verstärkt auf die Minijobs zu setzen, um die Arbeitslosen wieder mit einer Teilzeitstelle zu versorgen. Doch dürfte dieser Idee keine allzu große Zukunft beschieden sein, beruht sie doch auf einem klassischen Denkfehler. Es wird einfach angenommen, dass die Arbeitslosen bisher ohne Minijob sind, weil sie keine Lust haben, ihren Zuverdienst weitgehend an die Bundesagentur abzuführen. Doch was, wenn es an den Arbeitgebern liegt? Warum sollten sie ein Interesse haben, vor allem Arbeitslose einzustellen, wenn sie doch genügend willige Schüler, Studenten, Hausfrauen und Rentner finden? Diese Gruppen sind sehr interessiert an dem kleinen Zuverdienst.
Die Versuche sind zahlreich, Arbeit neu zu definieren – ob als Minijob, Ich-AG oder 1-Euro-Job. Doch an den bitteren Tatsachen ändert dies nichts: Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung geht zurück. Es sind diese Jobs, die letztlich alles finanzieren – Steuern, Staat und Sozialkassen. Im Januar gab es davon 156.000 weniger als im Vorjahr, obwohl die Wirtschaft um 1,6 Prozent wuchs. Das sind die dramatischen Zahlen von gestern.
inland SEITE 7
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen