: Vom Wissen zum Handeln
Die UNO hat die Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgerufen. Umweltbildung hat bislang zwar das Wissen vieler gesteigert, aber kaum Verhaltensänderungen bewirkt
VON JIRI KANDELER
Im Dezember 2002 rief die Vollversammlung der Vereinten Nationen für die Jahre 2005 bis 2014 die Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (Education for Sustainable Development – ESD) aus. Ziel der Dekade ist es, weltweit die nachhaltige Entwicklung in den nationalen Bildungssystemen zu verankern und die Umsetzung des UN-Programms Agenda 21 zu fördern. Damit wurde eine neue Epoche der Umweltbildung eingeleitet.
Die Begriffe Umweltbildung und Umweltpädagogik stehen seit den 70er-Jahren für die Schaffung von Umweltwissen, Umweltbewusstsein und umweltfreundlichem Verhalten. Seit der Unesco-Konferenz in Stockholm 1972 werden Umwelterziehung und -bildung als staatliche Aufgaben begriffen. Sie sollten in allen pädagogischen und bildenden Einrichtungen wie Kindergarten, Schule oder Universitäten implementiert werden.
Die Einführung von Umweltthemen in die Lehrpläne der Schulen erfolgte in Deutschland in den 80er-Jahren (Beschluss der Kultusministerkonferenz 1980). Seitdem haben sich Umweltbildung und Umwelterziehung etabliert. Eine Vielzahl öffentlicher und privater Träger der Umweltbildung und Umwelterziehung sind entstanden. Umweltthemen haben heute ihren bescheidenen, aber festen Platz in den Curriculae der Schulen.
Allerdings hat man in den 90er-Jahren festgestellt, dass sich seitdem bestenfalls das Umweltwissen vergrößert hat, wobei der Anteil der schulischen Umwelterziehung und -bildung daran vermutlich geringer ist als der der Medien. Umweltbewusstsein und Umweltverhalten haben sich dagegen eher negativ entwickelt. Pikanterweise scheint sogar ein umgekehrter Zusammenhang zu bestehen: Gutes Umweltwissen ist meist da vorhanden, wo der Bildungsstand allgemein hoch ist. Mit der Bildung steigt in der Regel auch das Einkommen. Mit steigendem Einkommen steigen die Konsummöglichkeiten und damit die Umweltzerstörungskapazitäten – etwa wenn eine umweltschädliche Fernreise gebucht wird statt eines umweltverträglicheren Urlaubs an der Ostsee.
Dieselben Sünder trotz besseren Wissens
Die Menschen heute sind also trotz ihres Umweltwissens dieselben Umweltsünder wie damals. Mehr als 30 Jahre Umwelterziehung und -bildung scheinen kaum etwas gebracht zu haben. Für eine Neukonzeption der Umweltpädagogik und -bildung war es deswegen nach Meinung vieler Umweltbildungsforscher höchste Zeit. In die neuen Schlüsselbegriffe Nachhaltigkeit und Agenda 21 werden große Hoffnungen gesetzt. Von einem Paradigmenwechsel ist die Rede. Man spricht bereits von „Nachhaltigkeitspädagogik“ und „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“.
Das bedeutet nicht, dass die bisherige umweltpädagogische Praxis schlecht war. Aber sie ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. So kommen Umweltpädagogen bis heute oft über die elementarsten Dinge nicht hinaus, weil ihre Klientel der Natur bereits stark entfremdet ist. Die Liebe zur Natur wächst nicht von einem Tag auf den anderen. Und so muss jede vereinzelt stattfindende umweltpädagogische Maßnahme wirkungslos verpuffen, wenn auf ihr nicht viele weitere aufbauen – wie bei einer Therapie. Was bringt etwa der Ausflug einer Schulklasse zu einem Naturschutzzentrum, wenn es an Unterrichtszeit für die erforderliche Vor- und Nachbereitung mangelt?
In der Praxis sieht man von einem Paradigmenwechsel noch nicht viel, bis auf eine Reihe von Modellprojekten, wie etwa das BLK-Programm „21“ von 1999 bis 2004 und sein Nachfolgeprogramm „Transfer 21“ seit August 2004. Die Ziele sind entsprechend bescheiden: Das „Transfer 21“ will bis 2008 10 Prozent aller Schulen der beteiligten Bundesländer erreichen und dort die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung verankern. Bei einem Budget von 10 Millionen Euro für vier Jahre ist das noch ein ehrgeiziges Vorhaben.
Immerhin, auf lange Sicht scheint der Wandel vielversprechend. Ziel der Agenda 21 ist es schließlich, die Gesellschaft weltweit auf nachhaltiges Wirtschaften umzustellen, um damit die Lebensgrundlage des Menschen auf dem Erdball langfristig zu sichern. Weitere Ziele sind Partizipation, soziale Gerechtigkeit und Bekämpfung der Armut. Da gibt es viel zu tun. Inhaltlich bietet sich die Einbindung von Trägern der Umweltbildung und -erziehung an. Ihre Aufgabe in diesem Kontext soll unter anderem sein, den Menschen die Agenda 21 und ihre Ziele zu vermitteln und sie für die Partizipation an den Agenda-Prozessen zu gewinnen.
Wer sich jetzt fortbildet, macht keinen Fehler
Die Rolle von Multiplikatoren ist für einen Erfolg der Agenda 21 entscheidend. Nach Jahren relativer Stagnation ist daher ein Schub für die Umwelterziehung und -bildung zu erwarten. Wer sich auf den Gebieten Umweltbildung/Nachhaltigkeitsbildung beruflich fortbildet, macht damit sicher keinen Fehler. Ob auch die Umwelt von dieser Entwicklung profitieren wird oder ob aus einem neuen Hoffnungsträger nur wieder eine neue Enttäuschung wird, muss sich erst noch erweisen.
Der Autor ist Diplompolitologe und hat gerade ein umweltpädagogisches Handbuch geschrieben, das im Mai 2005 im Natur & Umwelt Verlag des BUND erscheint. Vorbestellungen unter bundladen@bund.net