Hartz führt den Spargel ins Feld
Spargelstechen soll ein Job für Langzeitarbeitslose werden, das will jedenfalls die Bundesagentur für Arbeit. Die niedersächsischen Spargelanbauer halten das für eine Schnapsidee und fürchten akut um ihre polnischen Erntehelfer
Der Arbeitstag beginnt um fünf Uhr morgens, manchmal 5.30 Uhr. Wann Schluss ist, diktiert der Spargel: Wenn er aus der Erde schaut, muss er raus. „Das ist wie bei einer Kuh, die zweimal am Tag gemolken werden muss“, sagt Dietrich Paul, Vorsitzender der Vereinigung der Spargelanbauer in Niedersachsen. Also werden an manchen Tagen zwölf Stunden und mehr malocht, an anderen ist nach fünf Stunden Feierabend. Sicher ist nur: Gestochen wird sieben Tage die Woche, gut zwei Monate lang, von Mitte April bis Ende Juni. Der Stundenlohn beträgt: 5,42 Euro.
Erledigt wird diese Arbeit bislang vor allem von Polen – 86 Prozent aller Saisonarbeitskräfte in Deutschland kommen aus dem Nachbarland im Osten. Das allerdings soll sich nach dem Willen der Bundesagentur für Arbeit (BA) ändern: BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt möchte statt ausländischer Saisonarbeiter inländische Langzeitarbeitslose in den Billigjobs unterbringen. Von den 870.000 Arbeitsgenehmigungen in 2004 soll perspektivisch die Hälfte wegfallen. Von Fall zu Fall wäre dann zu klären, ob es sich beim Spargelstechen um eine saisonale Vollzeitbeschäftigung, einen Minijob oder eine Zuverdienstmöglichkeit handelt.
Egal wie – bei den Spargelanbauern stoßen die BA-Pläne auf herbe Ablehnung. „Deutsche Arbeitslose wollen diese Arbeit nicht machen“, sagt Paul. Bereits in der Ära Kohl habe es die gleiche Initiative gegeben, sogar ein „Trockenkurs“ im Spargelstechen sei angeboten worden.
An der Ausbildung hätten die deutschen Arbeitslosen noch teilgenommen, auf dem Feld erschienen sie allerdings nicht mehr. Paul: „Wir können niemand zur Arbeit zwingen.“ Die Pläne der Bundesagentur seien „Luftnummern, die nur Kosmetik für eine misslungene Wirtschaftspolitik sind. Wir Spargelbauern wollen nicht die Versuchskaninchen für Minister Clement sein. Der Spargel muss termingerecht raus, das schaffen wir nur mit polnischen Helfern.“
Für die kommende Saison sind die auch schon unter Vertrag genommen, allerdings ist unklar, zu welchen Bedingungen. Nach dem EU-Beitritt Polens seien für die Saisonarbeitskräfte Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen, so Paul. „Der Landwirt muss die Erntehelfer bei der polnischen Sozialversicherung anmelden und nach einem bisher unbekannten Verfahren direkt mit Polen abrechnen.“ Die ohnehin sozialversicherten Polen würden damit doppelt versichert, außerdem würden sich die Beiträge zur polnischen Sozialversicherung auf rund 48 Prozent des Bruttolohns summieren, von denen 27,2 Prozent vom Arbeitnehmer zu tragen seien. Paul: „Bei einem Stundenlohn von 5,42 Euro macht kein polnischer Arbeiter mit, dass der Nettoverdienst in dieser Höhe schrumpft. Die werden einfach nicht kommen.“ Was dann passiert? Die Bundesagentur für Arbeit würde sich kümmern – um weitere Arbeitsgenehmigungen für Ausländer oder um die Vermittlung deutscher Langzeitarbeitsloser. kli