piwik no script img

Archiv-Artikel

Schmerzhaft, aber neu

„Menschen machen Innovationen“: Unter diesem Titel machen sich die Gewerkschaft ver.di und die Arbeitnehmerkammer Bremen auf einem Kongress Gedanken um die recht verstandene Innovation

Orga-Prof Kruse: „Sie bekommen das Neue nur, wenn Sie das Alte stören“

von Klaus Irler

Zur Auflockerung nach der ersten Staffel an Begrüßungsvorträgen: ein dummer August auf der Bühne. Klassisch, mit Pappnase. Passt irgendwie zum Gewerkschaftsklischee von damals als es darum ging, dass Pappi Samstags der Familie gehört und sich die Kinder bei der Gewerkschaftlerveranstaltung nicht langweilen.

Nur, dass bei dieser Veranstaltung keine Kinder da sind, sondern vor allem Betriebs- und Personalräte in Anzug. Ist nicht für die Basis angelegt, dieser Kongress, und ist auch kein alleiniges Kind der Dienstleistungsgewerkschaftler: ver.di hat sich mit der Arbeitnehmerkammer Bremen zusammengetan, um an drei Tagen im Bremer Congress-Centrum knapp 500 TeilnehmerInnen mit Vorträgen und Workshops zu versorgen. Thema: „Menschen machen Innovation“. Als Referenten mit dabei: Über 70 Leute aus Theorie („Institut für Innovation und Kompetenztransfer, Uni Bremen“) und Praxis („Manager Human Resources - Labour Relations, Kraft Foods Deutschland GmbH“).

Rezitiert der dumme August auf der Bühne: „Innovation verkommt wegen häufiger Verwendung zum Schlagwort!“ Wohlwollender Szenenapplaus. Wissen doch alle, dass die Innovation als Thema nicht mehr recht innovativ ist, und trotzdem springen ver.di und die Arbeitnehmerkammer auf den Zug auf. Einerseits, um die Debatte nicht an sich vorbeirauschen zu lassen und den Begriff mit eigenen Vorstellungen zu besetzen. Andererseits, weil „Deutschland nach wie vor ein ziemliches Problem mit seiner Innovationsdynamik“ habe, sagt ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske. Man wolle „Innovation durch Organisationskultur“ begünstigen – „die Teilhabe der Beschäftigten ist elementare Erfolgsbedingung“.

87 Prozent der Beschäftigten, hat ver.di in einer Studie herausgefunden, können nicht erkennen, dass in ihrem Unternehmen neue Produkt- oder Prozessideen gefördert werden. Statt die Mitarbeiter-Potentiale zu nutzen, statt auf flache Hierarchien und Weiterbildung zu setzten, verharrten die Unternehmen in „Kästenchendenken“ einzelner Abteilungen, so ver.di-Innovationsexperte Lothar Schröder. Ferner scheue man mit Blick auf die Quartalsbilanzen etwaige schlechte Zahlen während des „Innovationsgeschehens“ und sei drittens zu unwillig, die Erfahrungen der Beschäftigungen bei der Produktentwicklung zu nutzen.

Was die Weiterbildung betrifft, ist für Arbeitnehmerkammer-Geschäftsführer Hans Endl eine neue Sichtweise fällig: Die Investitionen der Unternehmer in Weiter- und Ausbildung sollen nicht mehr als Konsumausgaben bewertet werden, sondern als Investitionen. Diese würden dann den Firmenwert erhöhen und das Standing der Unternehmen beispielsweise gegenüber Kreditgebern stärken. Festgehalten werden könnten diese Unternehmungsanstrengungen dann in „Wissensbilanzen“.

Kling schlau, aber ob gepflegte Fachkompetenz auch zu Innovationen führt? „Innovation kann man nicht in Zielvereinbarungen festschreiben“, sagt Organisations-Prof und Unternehmensberater Peter Kruse von der Uni Bremen. „Wir brauchen mehr Prozessmusterwechsel“, und die gingen nun mal einher mit Instabilität. „Faszination und Neugier“ müsste man dafür bei Mitarbeitern wecken, Schmerzbereitschaft für den „Schmerz der Veränderung“ und „Instabilitätstoleranz“. Kruse: „Sie bekommen das Neue nur, wenn Sie das Alte stören.“