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Archiv-Artikel

VON BERLUSCONI BIS HAIDER – SIND SIE ERFOLGLOS, WERDEN SIE KOMISCH Groteske Implosion

Es gab einmal eine Zeit, da galt die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) als Role Model eines modernen rechtspopulistischen Radikalismus, der Aufstieg des telegenen „Feschisten“ Jörg Haider löste Schrecken aus. Sie brachte es mit aggressiven, rassistischen Kampagnen auf 27 Prozent der Wählerstimmen, und als im Jahr 2000 die Christdemokraten mit ihr eine Regierung bildeten, löste das in Österreich erst eine Schockstarre aus, kurz darauf demonstrierten bis zu 250.000 Menschen, und die Europäische Union verhängte Sanktionen. Indes, dies war der Lauf der Zeit: In Amerika flogen Flugzeuge in Hochhäuser, im hinteren Orient brachen Kriege aus, und auch sonst geschah so allerlei.

Die für die FPÖ so goldenen Neunzigerjahre scheinen heute entfernt wie die Tage Napoleons. Wahrscheinlich kann man Teenagern, die etwa 1990 geboren sind, gar nicht mehr klar machen, dass der Clown, der bis in unsere Tage als Kärntner Landeshauptmann amtiert und neuerdings wieder häufiger im Fernsehen gezeigt wird, einmal eine große Nummer war, an der sich die Geister schieden, einer, der von den einen verehrt, von den anderen gehasst wurde.

Der vorläufige Höhepunkt der Groteske ist also: Haider ist aus der FPÖ ausgetreten. Aber nicht nur er: Die FPÖ ist aus der FPÖ ausgetreten und will sich jetzt „Bündnis für die Zukunft Österreichs“ (BZÖ) nennen. Gestern noch unbekannt, will die BZÖ heute unbedingt in der Regierung bleiben, in der ÖVP-BZÖ-Koalition. Sollte das tatsächlich halten, wird man üben müssen, damit man sich die Zunge nicht verrenkt. Die „destruktiven Kräfte“ sollen, bitte schön, in der FPÖ zurückbleiben. Haider sammelt die Konstruktiven.

Wer für all das eine politische Erklärung will, der muss leider enttäuscht werden. Zwar gibt es auch in diesem Fall so etwas wie rationalisierende Narrative. Die lauten so: Wolfgang Schüssel, der konservative Kanzler, hat die FPÖ in die Regierung gehievt, um sie zu zähmen. Die FPÖ wurde aufgerieben, weil die rabiate Oppositionspartei den Spagat zwischen konstruktivem Mittun und habituellem Dagegensein nicht schaffte.

Da ist schon etwas dran, aber doch erklärt das nicht vollends die groteske Implosion der Freiheitlichen. Natürlich ist dieses exzentrische Potenzial, der Hang zur Selbstzerstörung, die Gefahr, in jedem Moment vom Grandiosen ins Lächerliche zu kippen, eine Eigenart, die als allgemeiner Charakterzug der zeitgenössischen Rechten womöglich noch nicht ausreichend gewürdigt ist. Von Berlusconi bis Schill bis Fortuyn bis Haider gilt, so unterschiedlich die Karrieren verlaufen sein mögen (der eine ist Premier, der andere ausgewandert, der Dritte tot, beim Vierten ist es ungewiss): dass sie nur stark erscheinen können, solange sie erfolgreich sind, bleibt der Erfolg aber mal aus, sind sie nicht einfach erfolglos, sondern auch komisch.

Doch das traurige Schicksal der FPÖ und ihres Helden ist dennoch nicht vergleichbar mit dem Kollaps politischer Eintagsfliegen wie der Schill- Partei und hat schon gar keine Ähnlichkeit mit den ziemlich „gewöhnlichen“ Problemen von Berlusconi. Denn die ÖVP-FPÖ-Regierung in Österreich hätte ja nicht scheitern müssen. Ihre Themen sind hegemonial. Die parlamentarische Opposition ist inexistent. Die Sozialdemokratie ist für die Regierung kein Gegner, den sie fürchten müsste. Natürlich war es unvermeidbar, dass die FPÖ als Regierungspartei Proteststimmen verliert. Aber die Totalimplosion ist nur durch die Psychopathologie der handelnden Akteure erklärbar.

Denn was, mit Verlaub, unterscheidet den rechten Heißsporn Jörg Haider eigentlich von solch irrlichternden Dumpfbacken wie seinen bisherigen Parteigenossen Andreas Mölzer, Ewald Stadler oder dem Wiener FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, den drei Wortführern des „rechten“ Parteiflügels? Wer kann hier eine Differenz erkennen, die das ganze Tohuwabohu rechtfertigt? Und warum hat Haider, wenn er denn so gegen das Destruktivsein ist, dann eigentlich vor zwei Jahren seine eigene Regierungstruppe in die Luft gesprengt?

Mit Politik hat das alles herzlich wenig zu tun. Es hat nur ein paar politisch relevante Auswirkungen. Die Tatsache etwa, dass, man glaubt es kaum, eine solche Narrenpartei regieren darf; die Möglichkeit, dass es damit aber vielleicht doch bald ein Ende hat. Womöglich erleben wir gerade die letzten Zuckungen eines Phänomens. Nicht ihre Gegner haben die FPÖ zu Fall gebracht. Es war so ähnlich wie im Arbeiterlied: Die Befreiung von der FPÖ kann nur das Werk der FPÖ selbst sein. ROBERT MISIK