Berlin freut sich über rote Laterne

Statistik Auch in Berlin ist die Zahl der Erwerbslosen auf einen Tiefstand gesunken. Vor allem Langzeitarbeitslose profitieren davon nur wenig

Fast schon Vollbeschäftigung, frohlockt der Süden der Republik angesichts der jüngsten Arbeitsmarktzahlen und Arbeitslosenquoten unter 4 Prozent. Berlin behält mit 12,3 Prozent die rote Laterne – und freut sich trotzdem: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Arbeitslosen im Dezember auf rund 213.000 gesunken. Das sind 5.550 weniger als im Vorjahr; die Zahl ist damit so niedrig wie seit 17 Jahren nicht. „Der Effekt bei den Langzeitarbeitslosen ist aber gleich null“, kritisiert Michael Haberkorn, Geschäftsführer von Berlins größtem Dachverband für Bildungs- und Beschäftigungsträger bvaa. Außerdem sei die tatsächliche Zahl der Arbeitssuchenden wesentlich höher.

Vom Aufschwung am Arbeitsmarkt profitieren vor allem diejenigen, die noch nicht lange arbeitslos und gut qualifiziert sind. Die Zahl der Menschen, die mehr als ein Jahr arbeitslos sind – fast vier Fünftel aller Arbeitslosen – sinkt deutlich geringer.

Gerade für diese Menschen hat aber der Bund die Mittel für Beschäftigungsmaßnahmen stark gekürzt. Im Dezember waren noch knapp 20.000 Berliner Langzeitarbeitslose im zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt – 40 Prozent weniger als im Vorjahr. „Dabei trifft die Argumentation, dass der Arbeitsmarkt es schon richten wird, auf diese Menschen nicht zu“, so Haberkorn.

Die größte Gruppe der Arbeitslosen machen weiterhin die über 50-Jährigen aus. Ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, zuletzt im Dezember um 5,5 Prozent auf über 53.000. Das entspricht einem Viertel aller Arbeitslosen. Neben der schwierigeren Vermittelbarkeit liege das vor allem am gestiegenen Anteil Älterer an der Gesamtbevölkerung, so die Arbeitsagentur.

Raus aus der Statistik

Außerdem konnten über 58-Jährige bis vor wenigen Jahren erklären, dass sie nicht mehr vermittelt werden wollen und fielen so aus der Arbeitslosenstatistik raus. Inzwischen werden Ältere nur herausgerechnet, wenn das Jobcenter ihnen ein Jahr lang kein Angebot vorlegen konnte.

Das ist nicht der einzige Kniff, mit dem Menschen, die theoretisch Arbeit suchen, aus der Statistik verschwinden. Insgesamt gelten rund 90.000 Menschen nicht als Arbeitslose, weil sie beispielsweise in einer Qualifizierungs- oder Beschäftigungsmaßnahme der Jobcenter stecken. Würden sie mit eingerechnet, läge die Quote der Arbeitssuchenden bei 17,3 Prozent aller Erwerbsfähigen.

Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) versprach, sich dafür einzusetzen, dass ältere Arbeitslose bessere Chancen bei der Arbeitssuche bekommen. Der Handlungsbedarf liege aber bei den Unternehmen. Manuela Heim

Inland SEITE 6