: Studie: Reiche Eltern sind die armen Eltern
Akademiker mit Kindern profitieren wenig von staatlicher Förderung. Die Familienministerin will gegensteuern
BERLIN taz ■ Akademikereltern sind die Verlierer der deutschen Familienpolitik. Sie haben wenig Anreiz, Kinder zu zeugen – anders als die Arbeiterfrau. Dies ist der Tenor einer neuen Empirica-Studie, in der Ulrich Pfeiffer und Reiner Braun ein Umdenken in der staatlichen Familienförderung fordern.
Die Argumentation der Autoren fußt auf einer Beispielrechnung: Wie profitiert die allein erziehende Arbeiterin, wie die Akademikerfamilie von staatlicher Familienpolitik? Demnach wendet jene Single-Arbeitermutter brutto rund 74.000 Euro für ihr Kind auf. 71.000 Euro fließen ihr als staatliche Hilfen zu. Das Akademikerehepaar hingegen erhält nur 68.000 Euro, steckt aber ungleich mehr Geld in seinen Nachwuchs, über 130.000 Euro pro Kind. „Ungerechtigkeiten“ nennt das die Studie, die die Autoren im Auftrag des Bundesfamilienministeriums verfasst haben. Sie fordern eine Abkehr vom Motto „Die Reichen können sich Kinder selber leisten“. Eine solche Familienpolitik erreiche die Akademiker nicht – und sei folglich kein Mittel, den Geburtenrückgang gerade bei den Hochgebildeten zu bremsen.
Schärfer noch kritisieren die Autoren ein weiteres Ergebnis ihrer Rechnungen: Akademisch gebildete Eltern, die wegen des Nachwuchses pausieren, hätten gegenüber Kinderlosen unzumutbar hohe Einbußen – nicht nur im Einkommen, auch in der späteren Rente. „Kinderlose mit hohem Einkommen werden in unserer Gesellschaft bevorzugt“, folgern sie. Sie fordern, dass Erziehungskosten steuerlich stärker angerechnet werden sollten. „Die Ausgaben für Kinder erhalten gleichen Status wie Ausgaben für Hühnereier und Urlaubsreisen“, so die Autoren. Damit würden Kinder steuerrechtlich fast wie Konsumgüter abgehandelt. Dies müsse sich ändern. So solle der Staat Eltern ab dem dritten Baby „hohe Kinderfreibeträge“ zubilligen.
In einem immerhin kann sich Familienministerin Renate Schmidt (SPD) durch die Studie bestätigt sehen: Beide Autoren fordern eine bessere Kinderbetreuung – eines der Kernziele der derzeitigen Familienpolitik. Die Begründung: Gerade bei Hochverdienern könnten staatliche Transfers nur einen Bruchteil des Einkommens ersetzen, das den Eltern durch Babypause oder Teilzeitstelle entgeht. Sinnvoller seien also Maßnahmen, die den Müttern oder Vätern ermöglichen, „ihre Berufstätigkeit weniger einzuschränken“. Die vormals übliche „Konzentration auf das Kindergeld führt in eine Sackgasse“.
Durch die Studienergebnisse sieht sich die Ministerin auch in einem anderen angekündigten Großprojekt bestärkt: dem Elterngeld – einer auf ein Jahr befristeten Zahlung an Mutter oder Vater, die sich in Höhe des Arbeitslosengeldes bewegen könnte. Ganz im Ton der Studie sagte Schmidt vor wenigen Tagen: „Damit wollen wir erstmals auch Besserverdienenden einen Anreiz bieten, für Kinder vorübergehend aus dem Job auszusteigen.“
Die Zeit drängt, meinen die Autoren der Studie und verweisen auf die Statistik. So bekämen derzeit 10 Deutsche im Schnitt nur 6 Kinder. Setzt sich der Trend fort, zeugen sie maximal 4 Enkel – dies sei der Weg in „eine Dauerkrise“. COSIMA SCHMITT
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