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Archiv-Artikel

Bullerei petzt bei Bullerei

SCHANZENFEST Die Polizei soll Gentrifizierungs-Kritikerin im Hamburger Szeneviertel der Planung eines Buttersäureanschlags bezichtigt haben. Das sagt das vermeintliche Opfer – und Fernsehkoch Tim Mälzer

Der „Küchenbulle“

■ Tim Mälzer wird 1971 in Elmshorn geboren, Abitur in Pinneberg

Kochlehre im Hotel Intercontinental Hamburg

■ Koch im Hotel Ritz und im Neal Street Restaurant (London)

■ Koch im Café Fées, Tafelhaus, Engel, Au Quai (alle Hamburg)

■ von 2002 bis 2007 Mitinhaber „das weisse haus“ in Övelgönne

■ 2003 bis 2007 Kochshow „Schmeckt nicht – gibt’s nicht!“ auf Vox (Goldene Kamera 2006)

■ Bücher: „Born to cook“ I und II (2004, 2005), „Kochbuch“ 2007

■ wie Ex-Kollege Jamie Oliver will Mälzer mit der Aktion „1.000 Küchen“ Schüler gesundes Essen beibringen

VON KAI VON APPEN

Spielt Hamburgs Polizei ein gefährliches Spiel? Beamte haben offenbar versucht, die widersprüchlichen Interessengruppen im Hamburger Schanzenviertel gegeneinander aufzubringen, indem sie Gentrifizierungs-Kritiker der Planung von Straftaten bezichtigten. Uniformierte sollen den Gastronomen und Fernsehkoch Tim Mälzer davor gewarnt haben, dass auf sein am 1. Juli eröffnetes Restaurant „Bullerei“ im Zuge des alljährlichen Schanzenfestes am 4. Juli ein Buttersäureanschlag verübt werden solle. Die Beschreibung einer Verdächtigen wurde gleich mitgeliefert: Claudia Falke, 47, Mutter und Hundehalterin, Aktivistin des Netzwerks für den Erhalt des Schanzenparks. „Sie haben nicht damit gerechnet, dass wir davon etwas erfahren“, sagt Claudia Falke. Sie hat Dienstag über ihren Rechtsbeistand Heino Windt Strafantrag wegen Verleumdung und falscher Anschuldigung gestellt.

Wer wie Claudia Falke in der Schanze wohnt, kommt unweigerlich am Lokal „Bullerei“ neben dem S-Bahnhof Sternschanze vorbei. Tim Mälzer tischt in der renovierten historischen Viehhalle des ehemaligen Schlachthof-Areals zwischen Messegelände und Schanzenviertel Speisen von vegetarisch-leicht bis fleischig-deftig auf und plant dort sogar ein eigenes Fernsehstudio.

Falke wunderte sich, dass sie auf dem Weg zum Schanzenpark beim Gassi-Gehen mit den Hunden stets von Mälzer und seinen Leuten argwöhnisch beäugt wurde. Den Grund teilte Mälzer auf einem Treffen von Gentrifizierungskritikern im Nachbarschaftstreff Centro Soziale mit, das er überraschend besucht hatte: Mälzer berichtete von dem Gespräch mit dem örtlichen Polizei-Revierleiter beim Schanzenfest und von der Warnung vor Falke und einem „Buttersäureanschlag gegen 19.30 Uhr aus der autonomen Szene heraus“.

„Es hat mich nicht maßlos erschüttert, aber es ist einfach frech“, sagt Falke. Dass Mälzer für sie zu denjenigen gehört, die den „Yuppisierungs-Prozess“ in der Schanze vorantreiben, ist klar. „Es würde aber doch niemand aus der linken Szene in ein vollbesetztes Restaurant Buttersäure gießen“, empört sich Falke. „Buttersäure ist schließlich gesundheitsschädlich!“

Jurist Heino Windt hält den Vorgang trotz aller Abwegigkeit für „gefährlich“. Offensichtlich solle die „Spirale des Wahnsinns“ im Schanzenviertel weitergedreht werden. Das sei „Denunzierung und Kriminalisierung“, ohne dass strafrechtlich etwas passiert sei – für Windt keine Bagatelle. Er sieht in den Beschuldigungen einen Verstoß gegen den Datenschutz und die Gefahr der Stigmatisierung. „Deshalb muss man dagegen vorgehen.“

Windt vermutet, der Grund für die Denunziation sei, dass die Polizei mit Claudia Falke „eine besondere Rechnung offen“ habe – wegen ihrer Aktivitäten gegen das im nahen Schanzenpark gelegene Mövenpick-Hotel im alten Wasserturm.

Im Dezember 2007 erteilte die Polizei ihr ein bisher einzigartiges Aufenthaltsverbot für den Park. Im März 2008 hob die Polizei das „Parkverbot“ wieder auf, um eine Schlappe vorm Oberverwaltungsgericht zu vermeiden.

Nun verzeichnet Falke wieder verstärkte Polizeiaktivitäten im Viertel. „Ich werde auf Schritt und Tritt verfolgt“, berichtet sie über ihre Spaziergänge im Park. Wenn ihre Personalien überprüft würden, werde sie mit Namen angeredet, als hätten alle Polizisten einen Steckbrief in der Tasche: „Frau Falke, ihre Papiere bitte.“ Auch am vorigen Sonntag sei sie auf einem Spaziergang durch „permanente Polizeipräsenz“ begleitet worden, vorm neuen McDonald’s-Restaurant am Schanzen-Bahnhof standen Mannschaftswagen der Polizei. „Jetzt ist es offensichtlich, dass hier im Viertel etwas nicht stimmt“, sagt sie.

Trotz unterschiedlicher Interessenlagen haben Mälzer und Falke das Gespräch gesucht und sich arrangiert. Mälzer hat ihr ein schriftliches Gedächtnisprotokoll über das Vorgehen der Polizei übergeben. „Ich fühle mich instrumentalisiert“, hat er mehrfach geäußert. Die Polizei stellt den Sachverhalt völlig anders dar. „Herr Mälzer hatte sich an dem Nachmittag an uns gewandt“, beteuert Polizeisprecherin Ulrike Sweden. Er habe die Infos eingebracht, so Sweden. „Wir haben den Namen Falke nicht genannt.“ Von Mälzer war gestern bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zur Polizeiversion zu bekommen.