Wahlkampf : Occupy Römer
Ich bin eingeladen zu einem „Künstleressen“. Es gibt dann aber gar keine Künstler, sondern Hühnchen mit Kartoffelgratin und Gemüse. Das schmeckt sehr gut, aber nach der großen Erwartung bin ich etwas enttäuscht. Auch sonst sind keine Künstler da, sondern nur Leute, die mal in der Werbebranche gearbeitet haben und jetzt Fahrräder verkaufen oder die seit dreißig Jahren dabei sind, ihre Dissertation zu schreiben, und sehr langfristig Filmprojekte planen, von denen noch nie eins zustande gekommen ist, sowie Oliver Maria Schmitt, der Bürgermeisterschaftskandidat von Frankfurt für Die Partei.
Ich frage ihn, wie seine Chancen bei den Wahlen in März stehen. „Sehr gut“, sagt er, weil alle anderen Parteien nur Kandidaten hätten, die niemand kennt. Er würde sich an die Occupy-Bewegung dranhängen und mit der Losung „Occupy Römer“ einen erfolgreichen Wahlkampf machen, weil er in seinen Reden dann sagen könne, was für alle nur eine Art politische Praxis sei, sei für ihn schon seit Jahren gelebtes Leben, denn seine Frau heiße mit dem Mädchennamen Römer. Leider wolle seine Frau nicht mitmachen, weshalb er für seinen Wahlkampf auf der Suche nach einer attraktiven und jungen und blonden Frau sei, die man als Politiker nun mal an seiner Seite brauche, wenn man einen richtigen amerikanischen Wahlkampf machen wolle, und ob ich ihm nicht für die Zeit des Wahlkampfs eine zur Verfügung stellen könne. Danach lasse man das Ganze als schmutzigen Wahlkampf durch Bild auffliegen und „seine“ Wahlkampffrau könne darüber ein Buch schreiben mit dem Titel „Ich war die Frau des Frankfurter Bürgermeisterschaftskandidaten“. Ich frage ihn, ob ich das nicht machen könne. Ich würde mir auch die Beine rasieren. „Ich weiß deinen guten Willen zu schätzen“, sagt Schmitt, „aber ich sagte ‚jung und attraktiv und blond‘.“
KLAUS BITTERMANN