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Polizei schlägt weiter mit Quarzsand zu

EINSATZ Ein 43-Jähriger wird brutal festgenommen. Ein Polizist trägt dabei verbotene Handschuhe

Freitagabend am Hermannplatz. Mehrere Streifenwagen und zivile Polizeifahrzeuge rasen heran. Beamte ringen einen Mann zu Boden. „Sogar als er schon am Boden lag, kamen immer noch mehr Beamte mit Schlagstöcken angerannt“, schildert eine junge Frau den Einsatz, den sie als „unverhältnismäßig brutal“ empfunden hat.

Dem Festgenommene werden Handschellen angelegt. Anschließend wird er auf den Rücksitz eines Streifenwagens geworfen. Seine Beine hängen aus dem Fahrzeug. Ein Streifenbeamter tritt minutenlang mit seinem Schuh auf den Fußknöchel des Wehrlosen, der durch einen zweiten Beamten im Inneren des Fahrzeugs auf die Rückbank gepresst wird.

„Wir wissen auch nicht genau, was hier passiert ist. Wir sind erst später dazugekommen sind“, erklärt ein Polizist, kurz nachdem er seinen Schlagstock zur Seite gesteckt hat. Wie die Polizei-Pressestelle später auf taz-Anfrage erklärt, soll der Mann zuvor als „Unbeteiligter“ eine Verkehrsüberprüfung gestört haben, indem er Polizisten beleidigte. „Im weiteren Verlauf trat er gegen ein Einsatzfahrzeug und einem Kollegen gegen das Schienbein“, so ein Sprecher.

Als ein Gefangenentransporter vorfährt, wird der Mann aus dem Streifenwagen geholt. Er hat einen hochroten Kopf und zerzaustes Haar. Der Einsatz ist beendet. Einer der eingesetzten Streifenpolizisten trägt nach wie vor seine Handschuhe, welche dem äußeren Erscheinungsbild zufolge Quarzsandhandschuhe sind. Diese sind bei der Berliner Polizei per Dienstanweisung verboten. Polizeipräsident Dieter Glietsch bezeichnet sie als „Waffe“. „Der einzige mir bekannte Zweck ist, anderen Verletzungen zuzufügen“, so Glietsch in einen früheren Gespräch mit der taz.

Angesprochen auf diese Dienstanweisung erklärt der Beamte, dass es sich nicht um Quarzsandhandschuhe handeln könne, da diese ja verboten seien. Eine Preisgabe seiner Dienstnummer lehnt er ab, ebenso eine genaueren Blick auf die Handschuhe. Polizeibeamte zweier weiterer Streifenwagen sehen das ähnlich. „Wir brauchen uns die Handschuhe nicht anzuschauen, da es sich um normale dienstliche Handschuhe handelt“, erwidert einer der Polizisten schroff. Die Bitte, mit einem verantwortlichen Beamten sprechen zu können, wird abgelehnt.

Handschuhe vertauscht

Stattdessen präsentieren die Polizisten ein Paar andere Handschuhe: „Hier sehen Sie sich diese doch mal an, die Protektoren sind aus normalem Schaumstoff.“ Unterdessen geht der Beamte mit den verdächtigen Handschuhen schnellen Schrittes zu seinem Streifenwagen. Nachdem der Reporter ein Foto vom Nummerschild des Wagens gemacht hat, erklärt er sich doch dazu bereit, seine Dienstnummer herauszugeben. Eine Betrachtung der Handschuhe lehnt er weiterhin ab.

Der Reporter hat jetzt eine Beschwerde über die Polizeikräfte an Innensenator Ehrhard Körting (SPD) und die Polizei geschickt. Darin beklagt er, dass hier die „Chance vertan wurde, gegen dienstliches Fehlverhalten vorzugehen“. Ein Polizeisprecher erklärte, dass der Vorfall geprüft werde. BJÖRN KIETZMANN

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