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Archiv-Artikel

Polizei darf per Satellit schnüffeln

Das Verfassungsgericht hält die GPS-Überwachung des Linksterroristen Bernhard Uzun für rechtens. Richter: Dank Satellitentechnik war immerhin kein Lauschangriff nötig

FREIBURG taz ■ Die Polizei darf Verdächtige mit Hilfe von Satellitentechnik überwachen. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht. Keinen Erfolg hatte die Verfassungsbeschwerde des zum Islam konvertierten ehemaligen Linksterroristen Bernhard Uzun (früher: Bernhard Falk) – er war mit Hilfe eines GPS-Senders überführt worden.

Falk hatte Anfang der 90er-Jahre zusammen mit Michael Steinau die Antiimperialistischen Zellen (AIZ) gegründet und dabei insgesamt acht Anschläge, insbesondere auf Wohnhäuser von Politikern, verübt. Nur durch Glück wurden keine Menschen verletzt. Weil sich die beiden geschickt der polizeilichen Überwachung entzogen, brachten die Ermittler an dem von Falk benutzten Auto einen GPS-Sender an. Mit den so gewonnenen Erkenntnissen konnten die AIZ-Kämpfer schließlich überführt werden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte Falk 1999 wegen versuchten Mordes zu 13 Jahren Haft.

Mit Hilfe der GPS-Satellitentechnik (Global Positioning System) kann die Polizei heute bis auf fünf bis zehn Meter genau den Standort eines präparierten Wagens orten. Falks Anwalt Heinrich Comes hielt diese Überwachungstechnik für verfassungswidrig, weil es für den tiefen Eingriff ins Privatleben keine Rechtsgrundlage gebe. Dies sahen die Verfassungsrichter aber anders. Die Strafprozessordnung erlaube Observationen mit „technischen Mitteln“, wozu auch die Satellitentechnik gehöre. Im Vergleich zu Peilsendern, Bewegungsmeldern und Nachtsichtgeräten sei GPS zwar flexibler, weil die Polizei den Verdächtigen dabei nicht im Auge behalten muss. Allerdings habe auch ein GPS-Sender seine Begrenzungen, weil er in geschlossenen Räumen und in „Häuserschluchten“ nicht funktioniere.

Die Satellitentechnik sei also nichts grundsätzlich Neues, so die Richter. Es könne nicht verlangt werden, dass der Gesetzgeber bei jeder kriminaltechnischen Neuerung die Strafprozessordnung anpasse. Allerdings wird dem Bundestag aufgegeben, die technische Entwicklung zu beobachten, um bei Bedarf korrigierend einzugreifen.

Auch der zweite Kritikpunkt von Comes, die Häufung der verschiedenen Überwachungsmaßnahmen gegen Bernhard Falk, hatte in Karlsruhe keinen Erfolg. Zwar bekräftigten die Verfassungsrichter ihre Aussage aus dem Lauschangriff-Urteil vom März 2004: Danach ist eine „Rundumüberwachung“ unzulässig, bei der über einen längeren Zeitraum nahezu lückenlos alle Bewegungen und Lebensäußerungen erfasst werden. Ein derart erstelltes Persönlichkeitsprofil verstoße gegen die Menschenwürde. Im Falle von Falk, bei dem zeitweise auch die Post kontrolliert, das Telefon abgehört und der Hauseingang mit Video überwacht wurde, sah Karlsruhe die rechtstaatlichen Grenzen aber noch gewahrt.

Schließlich hätten sich die meisten Polizeimaßnahmen auf die anschlagsrelevanten Wochenenden beschränkt. Außerdem habe die Polizei dank der erfolgreichen GPS-Überwachung auf schwerwiegendere Eingriffe wie den Lauschangriff verzichten können. CHRISTIAN RATH