: „Es ist dringend“
Ausgerechnet die Hartz-Reform stellt benachteiligten jungen Azubis eine Falle – während die Zuständigen wenig dagegen tun
bremen taz ■ Eine „Diskussion um Novellierung“ allein wird jugendlichen Azubis in Not kaum helfen – doch mehr sieht die Vorlage, die heute in der Deputation für Arbeit behandelt wird, nicht vor. Dabei hat das Problem mit Novellierungsbedarf seit Jahresbeginn Namen und Gesichter: Mit der Hartz-Reform fielen bundesweit rund 37.000 junge, allein lebende Azubis, die auf ihre Familien nicht rechnen können, aus dem bisher gespannten sozialen Netz – obwohl sie für ihren Lebensunterhalt bisweilen weniger Geld haben als den Sozialhilfesatz und obwohl sie täglich zur Arbeit gehen. Schon warnen auch Bremer Fachleute, dass dies zu Abbrüchen der Ausbildung führen könnte. Dabei sollte die Hartz-Reform doch Menschen in Arbeit bringen.
Auch in Bremen sind erste Fälle bekannt, in denen sich für die jungen Menschen seit 1. Januar niemand mehr zuständig fühlt. Bis dahin gewährte das Amt für Soziale Dienste „ergänzende Sozialhilfe“ zum Kindergeld und zur allzu knappen Ausbildungsbeihilfe – wenn für Miete, Essen, Strom und die Fahrkarte trotz Arbeit nicht genug blieb. Doch mit Hartz IV wurde diese Möglichkeit ohne jede Übergangsregelung gekappt. Nun klafft eine Lücke. Denn die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis) lehnt Anträge dieser jungen Menschen auf Hilfe ab. Auch andere Kommunen gehen diesen Weg mit Verweis auf die Gesetze – und könnten damit das Problem Jugendarbeitslosigkeit verschärfen, das sie doch bekämpfen sollen.
„Viele der jungen Leute wissen nicht mehr, wie sie ihre Probleme lösen sollen“, sagt der Bremer Heiko Eichhorn von der Neuen Arbeit der Diakonie. Die betreut 27 junge Erwachsene, die sie in Ausbildungsplätze vermittelt hat. Schon überlegten die ersten seiner Schützlinge, die Ausbildung zu schmeißen, um anders Geld zu verdienen, berichtet er. Denn schon geringe Veränderungen, ein paar Tage Krankenhausaufenthalt, eine kleine Mieterhöhung oder Ausgaben für die verhütende Pille bringe das sorgsam erarbeitete Finanzgefüge dieser Azubis, die sich ohne die Unterstützung einer Familie durchs Leben schlagen, gefährlich in Wanken. Besonders absurd kommt es Eichhorn vor, dass diese Azubis, wenn sie ihre Lehrstelle verlieren würden, Arbeitslosengeld II beziehen könnten – und dann voll vom Staat finanziert würden. „Ganz abgesehen davon, dass unsere Arbeit, die von der EU gefördert wird, damit umsonst war“, sagt er bitter. Dabei sei das Problem überschaubar: „Im Schnitt fehlen den Betroffenen je nur 100 Euro, um über die Runden zu kommen.“
„Es ist dringend.“ Mit diesen eindeutigen Worten hat deshalb Paul Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe in einer E-Mail-Anfrage an die Bremer Bagis um schnelle Antwort gebeten: Was denn getan werde, um auf die Problemlage dieser Azubis mit eigener Wohnung angemessen zu reagieren, fragte er. Eine Antwort hat er auch nach vier Wochen nicht erhalten. Doch liegt ihm ein Ablehnungsschreiben vor, das die Bagis einem betroffenen Azubi schickte: Wer als Auszubildender Bundesausbildungbeihilfe oder Bafög bekomme, habe keinen Anspruch auf weitere Leistung, stand darin in Paragrafensprache. „Die Bagis informiert offenbar nicht einmal über die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, wenigstens als Härtefall ein Darlehen zu beantragen“, ärgert sich Schröder. Andere Städte dagegen stellten sich dem Problem offensiv. Frankfurt und Kassel beispielsweise drängten in Berlin auf eine neue Regelung. ede