Dorn, Skizze, Gedankenentwurf

ZEHN MEISTERSCHÜLERINNEN AbsolventInnen der Hochschule für Künste präsentieren unter dem Titel „sed roq“ in der Städtischen Galerie im Buntentor heterogenen Positionen

Christian Haake hat gestern den mit 15.000 Euro dotierten Kunstpreis des Freundeskreies der Hochschule für Künste gewonnen. Für die Auszeichnung nominiert waren alle zehn ausstellenden MeisterschülerInnen. Der Kunstförderpreis – einer der am höchsten dotierten seiner Art – wird von der Karin- und Uwe-Hollweg-Stiftung finanziert und in diesem Jahr zum dritten Mal vergeben. Bisherige Preisträgerinnen waren Anneli Käsmayr und Jenny Kropp vom „dilettantin produktionsbüro“, die für ihr Projekt „Hotel“ ausgezeichnet wurden sowie Verena Müller, „Handlungsreisende im Dienst der Kunst“. taz

von Jan Zier

Sie sind – sozusagen – die Elite dessen, was in Bremen derzeit an KünstlerInnen ausgebildet wird, und manch einer von ihnen gehört darin schon fast zum Establishment: Die zehn MeisterschülerInnen der Hochschule für Künste (HfK), die von heute an in der Städtischen Galerie im Buntentor ausstellen.

Ein Jahr haben sie nach ihrem Diplom der „Freien Kunst“ noch an der HfK verbracht, unter den AbsolventInnen der insgesamt 900 Studierenden persönlich ausgesucht und individuell gefördert von ihren ProfessorInnen, Jean-Francois Guiton etwa, Fritz Vehring, Paco Knöller oder Juki Takeoka. Jetzt verabschieden sie sich endgültig von der HfK, mit einer Ausstellung, die – so will es die Tradition – von ihnen selbst konzeptioniert und organisiert ist. Sie trägt den ebenso assoziativen wie nichts sagenden Titel „sed roq“, ein Wortspiel, das in mehrerlei Sprachen mehr oder minder schlecht funktioniert.

Seit dem Ende der 80er Jahre bringt die HfK auch MeisterschülerInnen hervor, seit 2004 stellen sie regelmäßig in der Städtischen Galerie aus. In diesem Jahr empfängt einen gleich im Eingangsbereich ein abgedunkelter Raum, darin ein langer Tisch, mit weißem Tischtuch bedeckt. Auf der einen Seite liegen vier Kopfhörer – erzählt wird eine ausschweifende, märchenhafte Familiensaga, die der Frage nachgeht „Hat er denn nun überlebt oder nicht ?“ Er, das ist der Großvater, der einst im Krieg in Bergen-Belsen interniert war und sich im Laufe der Geschichte in Luft auflöst, später kommt dann ein exquisiter Apfelkuchen der Großmutter ins Spiel, dazu eine Tortenkopfmedaille. Und so weiter. Auf der anderen Seite des Tisches liegt ein aufgeschlagenes Fotoalbum, in dessen leere Seiten digital überblendete und nostalgische Familienbilder in Sepia projiziert werden. „Es war einmal“ heißt die Installation von Elianna Renner.

Eher minimalistisch kommt dagegen Christian Haake daher, der derzeit auch in dem Projekt „Space Revised“ in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) zu sehen ist und 2007 den Bremer Förderpreis für Bildende Kunst bekam. Im Ranking von art-facts.net, das 146.000 „Künstler von Rang“ listet, ist er immerhin schon auf Platz 34.660 gelistet, sein Professor Takeoka rangiert auf Platz 3.998. Haake ist gleich mit zwei Arbeiten vertreten, „Widerborst“ heißt die eine, sie zeigt eine Art überdimensionalen Rosendorn. Die andere – „Nowshow“ – ist die Inszenierung des Dornröschenschlafs, gebaut aus dem Tableau einer ehemaligen Kinoanzeige, einem Fries aus dorisch anmutenden Säulen.

Im Gegenüber ist Daniel Behrendt ausgestellt, der bei art-facts.net noch auf Platz 50.179 rangiert. Die Arbeit eröffnet mit einem kleinen, fotografisch daherkommenden Fensterbild in Öl und grau. Im Raum dahinter erweitert um eine dreiteilige, monochrom ölgraue Arbeit, die zugleich die Fassade einer Wohnbausiedlung skizzieren will, dabei bewusst „ohne Titel“ ist. Eine „sehr reduzierte Form der Malerei“ darstellt, wie Behrendt sagt: Sie ist kein Farberlebnis – sie will es nicht sein.

Eher noch dem künstlerischen Schaffensprozess verhaftet ist dagegen die Arbeit der Bildhauerin Ulrike Linke. Eine Installation aus zahllosen, wie erstarrt wirkenden Porzellanscherben, zusammengeknüllten Papierkugeln ähnlich. Sie repräsentieren verworfene Ideen, ohne diese frei zu geben. „Gedankenentwürfe“ heißt das Werk, Sinnbild der Suche nach der guten Idee, dem richtigen Ansatzpunkt. Und könnte damit für viele der sehr heterogenen Arbeiten der MeisterschülerInnen stehen.

Bis 16. August, Städtische Galerie Bremen, Buntentorsteinweg 112