: Marcelinho tanzt die Werderaner aus
Der verhinderte Disco-Pächter Marcelinho setzt die Akzente beim Auftritt von Hertha BSC Berlin in Bremen. Nach dem Gala-Tor vor einer Woche gegen Freiburg reichen diesmal ein kleines Tänzchen und ein satter Linksschuss zum Sieg
BREMEN taz In Bremen denkt man schon wieder an schlechte Zeiten. Zwar läuft vor jedem Heimspiel des SV Werder Bremen noch ein Video vom gloriosen Auswärtssieg in München, der im vergangenen Jahr die Meisterschaft sicherte.
Aber spätestens nach dem Gastspiel von Hertha BSC, das Marcelinho durch sein Tor in der 30. Minute für die Berliner entschied, kann dieser Clip die Jubelstimmung nicht mehr wecken. Das demütigende Bild Oliver Kahns, der über den Rasen krabbelt wie ein geblendeter Hund und vergeblich versucht, den Ball noch zu erhaschen, das ist gerade noch für ein nostalgisches Lächeln gut: Ja damals.
„Wenn man sieht wie die anderen gespielt haben“, resümiert Bremens Manager Klaus Allofs den Spieltag „dann müssen wir feststellen, dass auch die Uefa-Cup-Plätze noch nicht ausgespielt sind.“ Trainer Thomas Schaaf hingegen gibt nur zu, „nicht so glücklich zu sein“.
Derweil ist Hertha-Coach Falko Götz als Kenner der erfolgsgeilen Hauptstadtpresse bemüht, den Ball flach zu halten: Das Wort Champions League, von der an der Spree geträumt wird, kommt nicht über seine Lippen. Er sagt nur, die Mannschaft habe „hervorragend gekämpft“. Und gibt sich „erfreut“ über die Tabellensituation.
So weit, so sachlich. Alles andere als ein sachlicher Tonfall wäre der Partie auch nicht angemessen gewesen: um in Bremen zu gewinnen, braucht’s derzeit nur eine kompakte Verteidigung, jemanden, der weite Pässe schlagen kann und einen Goal-Getter. So gab es zwar anfangs noch verbissene Zweikämpfe und auch Chancen auf beiden Seiten. Spielerische Akzente aber setzte allein Herthas Regisseur Marcelinho, unter der Woche durch einen Disco-Mietvertrag ins Gerede gekommen: Er sei, so hieß es, im Zahlungsrückstand und habe sich die Nebentätigkeit nicht genehmigen lassen.
Während die Anwesenheit von Werders Mittelfeld-Star Johan Micoud nur auffiel, wenn er wieder einen der zahlreichen Eckbälle uninspiriert auf die Reise Richtung Strafraum schickte, trug der Brasilianer unbekümmert schnelle Konter vor. Der zweite bereits führte zum Tor: Ein langer Pass aus dem eigenen Strafraum entlang der rechten Außenbahn wurde von den Bremer Nationalmannschafts-Aspiranten Christian Schulz und Frank Fahrenhorst mit Interesse wahrgenommen, aber nicht weiter verfolgt. Ohne Hast konnte sich Marcelinho den Ball auf links vorlegen, um ihn dann wuchtig am Werder-Keeper Andreas Reinke vorbeizutreiben.
Im Übrigen war Herthas Josip Simunic, eher Wadenbeißer als Tänzer, die spielbestimmende Figur: Die frühjahrsmüde Bremer Offensive rieb der Australo-Kroate in Zweikämpfen auf. Das änderte sich auch nicht, als Schaaf gegen Ende der Partie die desolaten Verteidiger Schulz und Fahrenhorst durch die harmlosen Angreifer Aron Hunt und Mohamad Zidan ersetzte: Ein Sturmlauf, ja, aber ohne Spielwitz und Zug zum Tor. Für Herthas Erfolg nie eine Gefahr.
BENNO SCHIRRMEISTER