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Archiv-Artikel

Das Wissen wächst um Rosi

CHOREOGRAFIE STUDIEREN Mit „Rosi tanzt Rosi“, der Konferenz über eine Diva, zeigt Susanne Martin ihre Abschlussarbeit am Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz. Sie gehört zu den ersten Absolventen

Zu Beginn der Pilotphase standen weder Curricula noch Standort fest: Die Sache lief nicht rund

VON ELISABETH WELLERSHAUS

Ein Tisch, drei Stühle, Mikrofone – andächtige Stille. Plötzlich betritt eine Frau mit tomatenrotem Meckischnitt die Bühne. Sie setzt sich, rückt ihre Nickelbrille zurecht und sieht mit ernstem Blick ins Publikum. In diesem Moment ist Susanne Martin die Moderatorin einer fiktiven Konferenz mit dem Titel „Thinking Dance“. Noch am selben Abend wird sie sich in eine Tänzerin aus der Kompanie der sagenumwobenen Choreografin Rosi verwandeln. In einen selbstverliebten Tanztheoretiker. Und – per Videoeinspielung – in Rosi selbst.

Martins wundervoll ironisches Stück „Rosi tanzt Rosi – The Conference“ ist ein Spiel mit den Identitäten, rund um das Leben einer imaginären Choreografenlegende. Vor allem aber ist es eine leichtfüßige Abhandlung über die selbstkreierten Mythen innerhalb des Tanzbetriebes.

Ende der Pilotphase

Die Tänzerin und Choreografin Susanne Martin schließt diesen Sommer ihr Studium am Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz (HZT) in Berlin ab. Sie ist gewissermaßen eine der PionierstudentInnen, die dem erst vor drei Jahren gegründeten HZT in den vergangenen Jahren Leben einhauchten. 2006 ging es auf Initiative des Tanzplans Deutschland in die Pilotphase und hat seither mit großem Engagement und mühsamer Lobbyarbeit seine drei Studiengänge für zeitgenössischen Tanz etabliert. Auch wenn zu Beginn der Pilotphase weder Curricula noch Standort des Unternehmens feststanden, die Organisation nicht immer rund lief und die Studenten bisweilen orientierungslos wirkten, scheint sich der Aufwand gelohnt zu haben.

Denn mittlerweile hat sich das HZT mit seinen Partnern – dem Netzwerk TanzRaumBerlin, der Universität der Künste, der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch sowie dem Berliner Senat über das Wichtigste verständigt. Der Unterrichtsalltag hat sich eingespielt. Studenten und Dozenten gestalten Lehrinhalte und Rechercheformate mittlerweile gemeinsam. Und Absolventen wie Susanne Martin demonstrieren während einer sommerlichen Performance, was sie aus Theorie und Praxis mitgenommen haben.

Zeit für Forschung

Martin gehört zu jenen Studenten, die bereits eine tänzerische Ausbildung hinter sich hatten, als sie ihr Studium am HZT begannen. Nach ihrer Ausbildung an der Rotterdam Dance Academy und an der Folkwang Hochschule ging sie nach Berlin, wo sie seit 15 Jahren als freischaffende Tänzerin und Choreografin arbeitet. „Für mich stand in den zwei Jahren am HZT der Wunsch im Vordergrund, mehr Zeit zu Hause zu verbringen“, erzählt Martin. Denn wie die meisten Berliner Choreografen hatte sie ob schwieriger Produktionsbedingungen oft im Ausland gearbeitet. „Ich wollte mich am HZT eine Zeit lang in festem Rahmen bewegen, in dem Inhalte, Forschen, Entwicklung und Lernen im Vordergrund stehen sollten.“

Daraus entstanden ist die Auseinandersetzung mit Rosi – eine Sammlung aus Stücken, Kurzimprovisationen, Videos und Texten um eine alternde Tanzdiva und deren fiktives Oeuvre.

„Rosi hat mich als Figur und als Möglichkeit über die ganzen zwei Jahre begleitet“, erzählt Martin weiter. In der Abschlussaufführung ist Rosi nun sogar Inhalt einer Konferenz. Einer Konferenz, in der verquaste Tanzwissenschaftler über Rosis Zusammenarbeit mit Peter Greenaway parlieren.

Für Vielseher

Und in der sich eine ihrer Tänzerinnen zu urkomischen und herrlich klischeehaften Demonstrationen von Rosis choreografischer Einzigartigkeit hinreißen lässt.

„You are well informed experts“, säuselt Martins Moderatorinnen-Ich ins Publikum. „You’ve all seen pieces of Rosi.“ Das ist eine augenzwinkernde und fiktive Referenz für ein reales Expertenpublikum. Denn dass „Rosi“ kein „erbauliches Tanzstück für den Mainstream“ geworden ist, gibt Martin ohne Umschweife zu. Bezüge auf Namen, Techniken, Trends, und selbst der Titel, der auf Anne Teresa De Keersmaekers „Rosas danst Rosas“ anspielt, sind auf ein Publikum von Studenten, Absolventen und Professoren des Hochschulzentrums, auf Tanzkritiker und Vielseher zugeschnitten.

Doch vermutlich würde das Stück auch jenseits der Performance-Plattform für Abschlussstücke von Berliner und anderen Tanzstudenten bestehen. Denn es besticht durch tänzerischen wie didaktischen Witz. Und endet mit einer entsprechend aberwitzig elegischen Sequenz vor einer Blumenleinwand, die noch dem hartgesottensten Tanzmuffel ein Lächeln abringen dürfte.

Warten wir also gespannt darauf, was aus Rosi wird. Und hoffen wir, dass das HZT noch viele multiple Persönlichkeiten hervorbringt.

■ Auf der Plattform Sodaworks zeigen Absolventen des Hochschulübergreifenden Zentrums Tanz ihre Arbeiten vom 29. bis 31. Juli. Beginn heute um 18 Uhr mit „Rosi tanzt Rosi“ in der UdK, Fasanenstr. 1 B. Weitere Infos unter www.udk-berlin.de/tanz