: Flottes Konklave – wenig überraschendes Ende
Es war eine „Kampfkandidatur“ und Joseph Ratzingers Rechnung ist aufgegangen, hatte er doch schon in den letzten Tagen daran gearbeitet, Papst zu werden. Der neue Papst wird da weitermachen, wo der alte Glaubenspräfekt aufgehört hat: Mit fundamentalistischer Predigt gegen jedweden Modernismus, Liberalismus und Libertinismus
ROM taz ■ Um 17.50 Uhr war es so weit: Rauch quoll aus dem Kamin der Sixtinischen Kapelle. Oder? War es wirklich so weit? Wie schon am Montag ließen die Wölkchen Raum für Interpretation. Mal qualmte es hell, mal etwas dunkler – immer aber grau. Dennoch konnte kein Zweifel bestehen: Die Wahl war gelaufen, sonst nämlich wäre der Ofen erst um 19 Uhr, nach den beiden nachmittäglichen Wahlgängen, angeworfen worden. Und bald nahm das Läuten der sechs Glocken von Sankt Peter jede Unsicherheit. Während die tausenden auf der ovalen Piazza schon begeistert applaudierten, wehten Fahnen aus zahlreichen Ländern – und vorn flatterten auch deutsche Flaggen.
Die Schlachtenbummler waren nicht umsonst über die Alpen gekommen. Schließlich öffnete sich die Loggia des Petersdoms und der chilenische Kardinal Estévaz verkündete: „Habemus Papam!“, nämlich Joseph Ratzinger, da war die Wahl des ersten deutschen Papstes seit dem Tod Hadrians VI. im Jahr 1523 perfekt. Als Benedikt XVI. wird er jetzt die Geschicke der katholischen Weltkirche leiten. Ratzinger stellte sich kurz darauf sichtlich bewegt den Gläubigen.
Eines der flottesten Konklave des letzten Jahrhunderts nahm damit ein wenig überraschendes Ende: Nach nur 24 Stunden war der Papst gewählt, und anders als bei den beiden Vorgängern hat diesmal der gesiegt, der im Vorfeld als klarer Favorit gehandelt wurde. Schon während der „Sedisvakanz“ – der papstlosen Zeit nach dem Tode Johannes Pauls II. am 2. April – hatte Ratzinger sich dank seines Amtes als Dekan des Kardinalskollegiums den Kollegen ebenso wie der Weltöffentlichkeit präsentiert: Er hielt die Predigt auf der Beisetzung ebenso wie er die Messe zum Auftakt des Konklave geleitet hatte. Und ihm hatte auch die Leitung der Kardinals-Kongregationen oblegen.
Ratzinger nutzte nicht zuletzt seinen letzten öffentlichen Auftritt am Montag zu einer ebenso klaren wie radikalen Positionsbestimmung. Nach seiner Predigt waren sich wenigstens die italienischen „Vaticanisti“ sicher, dass Ratzinger gewiss nicht zum Papststuhl strebte: Nichts habe Ratzinger getan, um im Lager der Gemäßigten – ganz zu schweigen von den „Progressiven“ um Stimmen zu werben. Heftig sprach er sich vor allem gegen das Vordringen von „Denkmoden“ auch in der Kirche aus: „Der kleine Nachen des Denkens vieler Christen ist oft genug von diesen Wellen durchgeschüttelt und von einem Extrem zum anderen geworfen worden: vom Marxismus zum Liberalismus bis hin zum Libertinismus; vom Kollektivismus zum radikalen Individualismus; vom Atheismus zu einem vagen religiösen Mystizismus“. Dagegen helfe nur ein klarer Glaube, auch wenn der „als Fundamentalismus etikettiert“ werde; es gelte aber nun einmal, der „Diktatur des Relativismus“ zu widerstehen, die „als letztes Maß der Dinge bloß das eigne Ich und seine Gelüste“ lasse.
Ratzinger selbst hat seine Rede offenbar anders verstanden: als Anmeldung einer polarisierenden Kampfkandidatur. Und seine Rechnung ist aufgegangen – gestern feierten ihn etwa 100.000 Menschen auf dem Petersplatz. Sie dürfen sich darauf gefasst machen, dass sie von Benedikt XVI. bald die gleichen Reden zu hören bekommen, die der prinzipienfeste Kardinal Ratzinger schon vor seiner Wahl gehalten hat.
MICHAEL BRAUN