: Quatsch mit Soße
So viel Witz steckt im multikulturellen Alltag: Anno Sauls Komödie „Kebab Connection“ erzählt von einem Hamburger Nachwuchsregisseur türkischer Herkunft, der von der großen Karriere träumt
VON DANIEL BAX
Der Döner war tabu. Wenn Regisseure in der Vergangenheit Filme über das deutschtürkische Leben drehten, dann kam ein Sujet garantiert nicht vor: jenes Grillfleisch im Fladenbrot, wahlweise mit Salat und scharfer Soße, das vielen Deutschen noch immer als allererste Assoziation in den Sinn kommt, wenn sie an Türken denken. Der Kebab galt lange als ein solches Klischee, dass sich nur besonders unerschrockene Comedy-Pappnasen seiner annahmen. Doch diese Einstellung hat sich inzwischen geändert, und die Filmkomödie „Kebab Connection“ zeigt: Der Döner ist filmreif geworden.
Das Drehbuch stammt ursprünglich vom Berlinale-Gewinner Fatih Akin, wurde aber mit der Zeit von mehreren Autoren überarbeitet und ergänzt. Wer „Kebab Connection“ sieht, dem wird rasch klar, warum Fatih Akin seinen Stoff nicht selbst verfilmt hat: Zu nah kommt die Hauptfigur seiner eigenen Person, zu groß sind die autobiografischen Parallelen, als dass ihm dies nicht möglicherweise als Eitelkeit ausgelegt worden wäre. Der junge Ibo (Dennis Moschito) ist ein hoffnungsvoller Nachwuchsregisseur aus dem Hamburger Schanzenviertel, der davon träumt, den ersten deutschen Kung-Fu-Film zu drehen. Doch zunächst darf er sein Talent nur an Kino-Werbespots erproben, die er für die Imbissbude seines Onkels Ahmet (Hassan Ali Mete) anfertigt. Als ihm dann auch noch seine Freundin Titzi (Nora Tschirner) eröffnet, dass sie schwanger ist, sieht er die Aussicht auf eine Regiekarriere schon durch einen Platz am Wickeltisch bedroht.
„Kebab Connection“ dürfte die beste Fatih-Akin-Komödie sein, die Fatih Akin nicht selbst gedreht hat: viel bissiger als „Im Juli“, seine brave Erfolgskomödie mit Moritz Bleibtreu und Christiane Paul, und natürlich viel ausgereifter als die anarchischen Kurzfilme, mit denen Akin zu Beginn seiner Karriere sein komödiantisches Gespür unter Beweis stellte. Die vielen Koautoren und der Regisseur Anno Saul, die den Stoff seitdem in die Hand nahmen, haben den Kebab-Spaß nicht verdorben, sondern um wichtige Aspekte erweitert. So verschränkt sich die Liebesgeschichte zwischen Ibo und Titzi, die fast an dem werdenden Baby in ihrem Bauch zerbricht, mit einer Fehde zwischen zwei Gastronomen: Onkel Ahmet und seinem Konkurrenten Kirianis, dessen griechisches Restaurant unmittelbar gegenüberliegt, aber genauso schlecht läuft. Zur geschäftlichen Konkurrenz tritt noch die unterschwellige Rivalität der Nationalitäten hinzu.
Auch wenn der rote Faden manchmal etwas ausdünnt und man nicht unbedingt versteht, warum die beiden Liebenden so lange brauchen, um wieder zueinander zu finden: Die Darsteller trösten darüber hinweg, und auch die pointiert gezeichneten Nebenfiguren wurden mit hervorragenden Schauspielern besetzt. Vor allem aber schafft es der Film, aus den Eigenheiten des multikulturellen Alltags viel komödiantisches Kapital zu schlagen: Da sind die männlichen Patriarchen wie Ibos Vater, sein Onkel Ahmet sowie der griechische Gastwirt Kirianis, der Vater von Ibos bestem Freund, die ihre Söhne bzw. Neffen je nach strategischem Interesse entweder verstoßen und enterben oder mit stolz geschwellter Brust wieder in die Arme schließen. Da sind die Freunde und Verwandten, die auf Titzis Schwangerschaft mit Vorbehalten reagieren. „Dein Sohn wird niemals Baba zu dir sagen. Du wirst ein Papi sein!“, wirft Ibos Taxi fahrender Vater seinem Sohn an den Kopf. Und Titzis deutsche Mutter fragt spitz: „Hast du schon mal einen Türken einen Kinderwagen schieben sehen?“
Aus der Antwort auf diese Frage ergibt sich eine Menge Situationskomik, angereichert mit Zitaten aus der Filmgeschichte: In einer Szene etwa rollt wie in Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ ein Kinderwagen eine Treppe hinunter. Nachdem Komödien wie „Kick it like Beckham“ aus England, „Yalla Yalla“ aus Schweden oder auch „My Big Fat Greek Wedding“ aus den USA gezeigt hatten, wie viel Komik im Zusammenleben von Migranten und Mehrheitsgesellschaft liegt und damit auch an deutschen Kinokassen Erfolge gefeiert hatten, war es an der Zeit, dass sich auch einmal ein deutscher Regisseur an einen solchen Film gewagt hat. Dieses Land braucht schließlich mehr solcher Komödien wie „Kebab Connection“, die das Gerede vom „Scheitern der Integration“ als Quatsch mit Soße entlarven. Oder kann sich jemand eine deutsche Innenstadt ohne Dönerbude vorstellen?