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Archiv-Artikel

„Jung ist Kopfsache“

LITERATUR UND MUSIK Zum dritten Mal veranstalten Jan Lafazanoglu und Lucy Fricke heute Abend im Feldstraßenbunker ihre „Lange Nacht junger Literatur und Musik“ Ham.Lit mit 15 Autor_innen auf drei Bühnen. Aber was macht einen Autor oder eine Band jung?

Wir wollen nicht kategorisch sein. Auch 50-Jährige können junge Literatur schreiben

INTERVIEW REBECCA CLARE SANGER

taz: Jan Lafazanoglu und Lucy Fricke, Sie sind Veranstalter der Literaturnacht Ham.Lit. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Jan Lafazanoglu: Das ist eine lange Geschichte. Lucy und ich sind zusammen zur Schule gegangen. Sie schrieb damals schon und ich war ihr größter Fan. Als Erwachsene verloren wir uns aus den Augen – bis ich in Stuttgart auf einem Konzert, das ich gebooked hatte, auf dem Klo war und plötzlich mit einem Poster vom Hamburger Elbtunnel konfrontiert wurde – das Cover von Lucys Buch! Ich wollte immer schon eine Autorin buchen, und nun sah ich, dass Lucy immer noch schrieb! Als wir dann endlich so weit waren, meinte Lucy: „Klar, ihr könnt mich booken, aber ich hätte da auch noch eine andere Idee …“ – die Idee zur Ham.Lit.

Wie gehören Musik und Literatur zusammen?

Fricke: Musik und Literatur befruchten einander, Musik hat literarische Texte, Literatur hat Rhythmus in der Sprache. Viele Autoren hören natürlich Musik, wachsen mit Musik auf.

Lafazanoglu: Beides macht das Leben bunt, macht es reich, sorgt für Zerstreuung. Mit Musik und Literatur kann man Momente feiern oder aber der Realität entfliehen.

Was ist überhaupt junge Literatur?

Fricke: Wir wollen nicht kategorisch sein. Auch Fünfzigjährige können junge Literatur schreiben. Unter junger Literatur verstehe ich, dass ein Autor nicht immer das Gleiche macht. Dass man sucht, etwas ausprobiert. Bewegung muss drin sein. Was die Themen angeht, so finde ich es schwerfällig, wenn Feuilletonisten sich bemühen, „junge Themen“ zu isolieren. Natürlich gibt es Dreißigjährige, die über Dreißigjährige schreiben. Das haben Dreißigjährige schon vor dreihundert Jahren gemacht. Man schreibt über das Leben. Wir haben auch Autoren mit politischen Themen dabei. Und natürlich Coming-of-age.

Und was ist junge Musik? Die Sterne doch wohl nicht unbedingt?

Lafazanoglu: Ich finde schon. Jung. Was heißt schon jung? Es gibt Neunzehnjährige, die schon total durchgecheckt sind und Fünfzigjährige, die Sicherheit für die Kunst aufgeben. Jung ist Kopfsache. Und was die Wahl der Sterne angeht, die Musik, die sie machen, ist Musik, in der jeder sich wiederfinden kann.

Fricke: Ach, das ist aber auch schwierig, beim Booken. Wenn man eine junge, unbekannte Band bucht, dann interessiert das keine Sau. Und die jungen, erfolgreicheren, die treten gar nicht erst auf. Bei den Sternen haben wir es halt echt gut. Es ist ein Band, die man mag, eine Band, mit der man aufgewachsen ist, es hat was Familiäres, sie sind ein Stück Zuhause.

Wo wollen Sie hin, mit Ham.Lit?

Fricke: Es freut mich, dass wir mit dem Event, ich nenn das mal so, andere Menschen erreichen. Leute, die nicht nur im Literaturhaus rumhängen. Manche kennen vielleicht nur einen Autoren, kommen wegen dem „Star“. Dann sind sie hier und hören noch andere, für sie vielleicht ganz abwegige Sachen an, Lyrik zum Beispiel. Die haben wir dann sozusagen „eiskalt erwischt“.

Wie ist denn so das Publikum?

Fricke: Toll! Wir haben Leute allen Alters! Von 18 bis 70! Die laufen dann schon mal mit großen Augen durchs Uebel und Gefährlich. Ich mag, dass es keine Szeneveranstaltung ist.

Lafazanoglu: Ja, unser Publikum ist das Allertollste!

Muss es wohlhabend sein? 16 Euro?

Lafazanoglu: Ist das teuer? Bei dem Programm? Und fairer Bezahlung für die Künstler? Bei manchen Künstlern würdest du schon für eine Einzelveranstaltung mehr Geld ausgeben. Und ganz ehrlich, eine goldene Nase verdient sich bei uns keiner.

■ Do, 2. 2., 19.30 Uhr, Uebel und Gefährlich und Terrace Hill, Feldstraße 66. Mit Jan Brandt, Jakob Hein, Nora Bossong, Benjamin Maack, Daniela Seel, Michael Weins, Nina Bußmann, Leif Randt, Andreas Stichmann, Monique Schwitter, Franziska Gerstenberg, Felicia Zeller, Steffen Popp, Oliver Kluck und Jan Böttcher. Musik von Niels Frevert und Die Sterne