: Ein Skilift als „Leuchtturm“
FOTOVOLTAIK lm schweizerischen Tenna bringt ein mit Sonnenenergie betriebener Skilift die Touristen auf den Berg
■ Anreise mit der Bahn: Von Zürich über Chur bis Versam-Safien, weiter mit dem Bus: www.sbb.ch
■ Mit dem Auto: Entweder über Lindau und die Rheintal-Autobahn Richtung Chur oder über Schaffhausen bzw. Basel nach Zürich und weiter Richtung Chur
■ Unterkunft: Gasthaus Alpenblick (Tenna) ab etwa 55 Euro pro Person im DZ/HP, www.hoteltenna.ch. Weitere Gasthäuser und Hotels gibt es in Versam, Safien und Thalkirch. Eine gute Alternative sind Gästezimmer und Ferienwohnungen: www.surselva.info. Eine besondere Übernachtungsmöglichkeit bietet „Wohnen im Baudenkmal“: alte Walserhäuser, die mit viel Liebe und Komfort renoviert wurden: www.walserhaus-safiental.ch
■ Skilift Tenna: Tageskarte 20 Euro, Wochenkarte 80 Euro www.skilift-tenna.ch
■ Infos: www.safiental.ch, www.myswitzerland.com
VON CHRISTIAN SCHREIBER
Die Wintersportler schauen nicht nach links, wo die Berge ihre Spitzen in den blauen Himmel bohren und ein Postkartenpanorama liefern. Sie blicken nicht nach rechts und nicht nach unten, um ihre Skier im Auge zu behalten. Nahezu alle, die mit dem neuen Skilift im schweizerischen Tenna fahren, legen den Kopf in den Nacken und fixieren die Solarmodule drei Meter über ihnen. Die Auffahrt ist hier zum Event geworden, seit die winzige Schweizer Gemeinde mit 113 Einwohnern Mitte Dezember eine Sensation eröffnet hat: den ersten Solarskilift der Welt.
Manche Leute recken den Daumen in die Luft oder jodeln, sobald sie das erste Solarelement passiert haben, und Kinder zählen eifrig die Module. An der Talstation brandet Jubel auf, sobald die Anzeige signalisiert, dass im Moment genügend Sonne da ist und die Anlage zu 100 Prozent mit dem eigenen Strom läuft.
82 sogenannte Solarwings sorgen für die Energieproduktion. Sie sind beweglich, gehen mit der Sonne, um jederzeit einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erzielen. Ist die Sonnenstrahlung bei schlechtem Wetter zu gering, wird ausschließlich Solarstrom zugekauft.
Experten attestieren dem Projekt aber großes Potenzial, weil die Sonne in der 1.700 Meter hoch gelegenen Gemeinde enorm kräftig ist und der Schnee die Strahlung reflektiert. Ein weiterer Pluspunkt: Wenn der Skilift im Sommer Pause hat, speisen die Solarzellen den Strom ins Netz ein. Unterm Strich erwirtschaftet die Anlage 90.000 Kilowattstunden pro Jahr – viermal so viel, wie der knapp 500 Meter lange Schlepplift verbraucht.
Oben angekommen, stürzen sich die Skifahrer nicht gleich in die Abfahrt, die meisten bleiben stehen, blicken hinab auf die Solarmodule, die aufgefädelt zwischen den Masten hängen. Kameras werden gezückt, ganze Gruppen nehmen Aufstellung, um ein Erinnerungsfoto mit Solarlift zu machen. Alles läuft sehr gemächlich, fast schon andächtig ab. Ohnehin gibt es in dem kleinen, familiären Skigebiet im Safiental in Graubünden keine Raser und Kilometerfresser. Man findet nur blaue und rote Abfahrten. Breite Pisten, Funparks, Skihütten, aus denen DJ Ötzi dröhnt – Fehlanzeige. Gemütlich schwingen alle ab, nehmen Rücksicht auf den Vordermann, der gerade abzweigt und die eigene Spur kreuzt.
„Man braucht keine Angst um seine Kinder zu haben“, sagt eine Mutter im Tal, die gerade Wurst und Käse an einem Stand kauft. An der Kasse steht Tanja Buchli, die noch keine 30 ist, in Tenna wohnt und sich nichts Schöneres vorstellen kann. Sie vermarktet ihre eigenen Produkte und offeriert eine Ferienwohnung, so wie es nahezu jede Familie in Tenna macht. 10 bis 20 Prozent mehr Gäste erwarten sich die Einheimischen. Das Skigebiet gibt es schon seit 40 Jahren, aber jetzt steht hier zwischen den alten Walserhäusern der erste Solarskilift der Welt, über den in der ersten Woche schon in ganz Europa berichtet wurde. Tanja Buchli hat ihre Ferienwohnung auf Solarstrom vom Skilift umgestellt. „Wir werben damit im Internet, und die Leute sind begeistert.“
Die Pakete mit Solarstrom, der viermal so teuer ist, gehören zu den vielen Bausteinen, mit denen die Genossenschaft das knapp 2 Millionen Euro teure Projekt finanziert. Neben öffentlichen Geldern und Zuschüssen von Stiftungen sind vor allem Privatleute eingesprungen: Manche geben zeitlich unbefristete und zinslose Darlehen, andere sponsern ein Solarmodul, einen Skibügel oder gleich die Talstation. Fast jeder Einwohner hat gespendet. Die Zahl der Teilhaber, die mindestens 100 Franken (80 Euro) Einlage zahlen, hat sich dank der Solaridee auf 200 verdoppelt. Es gab von Anfang an kaum Zweifler.
„Wir ziehen alle an einem Strang“, erklärt Skiliftchef Edi Schaufelberger, der heute ebenfalls über die Piste wedelt. Mitten in der Abfahrt bleibt er aber stehen, gesellt sich zu einer Gruppe am Pistenrand und lauscht, wie die Leute voll des Lobes sind.
„Wir mussten keinen einzigen Bankkredit aufnehmen“, betont Schaufelberger. Er rechnet damit, dass in zwölf Jahren alle Kosten wieder eingespielt sind. Aber das Projekt reiche ja viel weiter. Das Safiental mit seinen knapp 1.000 Einwohnern zähle zu den strukturschwächsten Gebieten der Schweiz. Nur der Tourismus könne die Region bewahren. „Der Skilift ist jetzt unser Leuchtturm, bringt neue Gäste, die aber auch mal wandern oder Schlitten fahren wollen.“
In Camana, ganz hinten im Safiental, kurz bevor die Straße endet und nur noch Berge warten, hat man die Vorlage verstanden. Zum Tourenski-Areal gesellen sich dort nun ausgeschilderte Schneeschuhrouten, außerdem öffnete gleichzeitig mit dem Skilift eine Rodelbahn.