Grün, grün, grün …

Berlins Ampeln leuchten neuerdings toller. Der Grund: Hält länger, verbrät weniger Strom, Wartung kaum

Am abgefucktesten knallte das Grün, unglaublich, wie nicht von dieser Welt. Zunächst dachte ich, es wäre mal wieder so weit, und ich sei bescheuert geworden – das kann beim Taxifahren schon mal passieren, geht dann aber wieder weg. Sofort machte ich den Test und setzte an einer besonders gleißenden Lichtzeichenanlage in der Kantstraße den Blinker rechts. Ich fuhr rechts. Tadellos. An der nächsten Ecke blinkte ich links und bog anschließend auch tatsächlich links ab. Schließlich schaltete ich die Warnblinkanlage ein und blieb stehen. Alles einwandfrei – bescheuert war ich also nicht.

Ich war auch nicht übermüdet. Hatte ich Halluzinationen? Rot und Gelb gingen ja noch, aber dieses grandiose Grün! Schmerzhaft grell strahlte es direkt in mein Hirn hinein. Dort war auch schon alles grün. „Grün, grün, grün ist alles, was ich habe“, sang es in meiner Großhirnrinde ganz ohne eigenes Zutun. Dann endete der Gesang und machte einer Endlosschleife aus verkehrstechnischen Informationen Platz: „Bei Grün kannste gehen – bei Rot musste stehen“, wogte es nunmehr durch meinen Kopf. Hinter mir hupte jemand – ich winkte dankbar und fuhr los. Längst war es wieder grün geworden, doch durch die Überdosen Grün stand ich offenbar kurz vor der Gewöhnung: Die übersättigten Synapsen drohten zu kollabieren. In kürzester Zeit war ich zum neurologischen Wrack geworden.

Das erklärte jedoch nicht die übernatürliche Leuchtkraft. Drogen hatte ich meines Wissens in letzter Zeit überhaupt keine genommen, außer Grün. Eventuell kam noch ein Flashback in Frage, doch den letzten Trip hatte ich Mitte der Achtziger geworfen. Das war also eher unwahrscheinlich. Die Wirkung auf Farben deutete ohnehin mehr auf Psylos hin: Was verkaufte Edeka neuerdings als Champignons der Güteklasse III und warum diese bescheidene Einstufung? Oder sollte ich schwanger sein? Da werden Farben und Gerüche ja auch viel intensiver. Aber wieso nur in Charlottenburg? Außerdem hatte ich doch immer aufgepasst!

Ich wollte es wirklich wissen und schrieb an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: „Was los, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Alter – was mit Lampe?“, formulierte ich sinngemäß, wenn auch vielleicht ein wenig ausführlicher.

Nach einer Woche erhielt ich die Antwort von Frau Dr. Schiewe: „Lampe jetzt mit LED-Signalgebern. Hält länger, verbrät weniger Strom, Wartung kaum. Farben innerhalb Europäische Norm EN 12368 für Signalleuchten. Dass Farbe stärker, ist, weil LED stärker leuchtet. Ampel- Modernisierungspaket ist mit Schwerpunkt Westteil. Später überall. Anschaffung teurer, dafür Betrieb billiger. Bald rentiert sich Scheiße. Ist logisch, Herr Hannemann, Alter – das mit Lampe!“ Natürlich auch das nur sinngemäß und ebenfalls ausführlicher. ULI HANNEMANN