„Soziale Netze müssen bleiben“

Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) will Umzüge von Arbeitslosengeld-II-Empfängern vermeiden. Und damit auch die Stadt als soziales Gemeinwesen erhalten

taz: Ab 1. Juli soll die Übernahme der Wohnkosten für Arbeitslosengeld-II-Bezieher neu geregelt werden. Worauf müssen sich die vielen Betroffenen einstellen?

Knake-Werner: Wir sind im Senat gerade dabei, eine Neuregelung zu finden.

Wo sind dabei die Knackpunkte?

Die Knackpunkte bestehen darin, welche Richtwerte für die Miethöhe wir zugrunde legen und ob die Quadratmeterzahl einer Wohnung berücksichtigt werden muss.

Wie viele Menschen müssen mit einem Umzug rechnen, weil ihre Wohnung möglicherweise zu teuer ist?

Das kann man noch nicht sagen, weil wir keine verlässlichen Daten haben. Wir wissen nicht, welche Arbeitslosengeld-II-Bezieher in welchen Quartieren und zu welchen Kosten wohnen. Da haben wir bislang nur Durchschnittswerte.

Sind Umzüge von Arbeitslosengeld-II-Empfängern überhaupt gewollt?

Ich finde es falsch, die sozialen Netze der betroffenen Menschen in einer Situation zu zerstören, die ohnehin von großer Unsicherheit geprägt ist. Im Nachhinein müssten solche Netze wieder durch andere staatliche Maßnahmen – etwa Quartiersmanagement – mühsam geknüpft werden. Es geht nicht nur um jeden Einzelnen, sondern auch um die Stadt als soziales Gemeinwesen. Dazu gehört, dass die Menschen in ihrem sozialen Umfeld bleiben können.

Warum soll es in Berlin überhaupt schon zum 1. Juli eine neue Regelung geben? Andere Städte wie Hamburg oder Bremen gönnen sich eine längere Übergangsfrist, auch um eine bessere Datengrundlage für ihre künftig Entscheidung zu haben.

Wir wollen den Menschen möglichst frühzeitig Rechtssicherheit über ihre Wohnsituation geben. Der Bezug von Arbeitslosengeld II hat vielfach zu einer erheblichen Verschlechterung der Lebenssituation von Betroffenen geführt. Nun fragen sie sich: Kann ich in meiner Wohnung und in meinem sozialen Umfeld bleiben, können meine Kinder weiter in dieselbe Schule gehen? Deswegen muss die Frage möglichst frühzeitig so gelöst werden, dass es für die Betroffenen in Ordnung ist.

Wenn jemand tatsächlich umziehen muss – wie wird das konkret ablaufen?

Wenn jemand völlig außerhalb unserer Vorstellung liegt, wird er aufgefordert, in einer bestimmten Zeit seine Wohnkosten – etwa durch Untervermietung – zu senken oder sich preiswerteren Wohnraum zu suchen. Es muss natürlich geschaut werden, ob ein Umzug überhaupt wirtschaftlich ist, weil das Land diesen bezahlen müsste. Auch müssen wir sehen, ob derjenige Chancen hat, schnell wieder einen Job zu finden. Diese Chancen sind größer, je kürzer man arbeitslos ist. Da würde möglicherweise ein Umzug keinen Sinn machen. Sie sehen, jeder Fall muss genau angeschaut und die Folgen müssen abgewogen werden. INTERVIEW: RICHARD ROTHER