: Kirche trägt das Bettlerhemd
Die Evangelische Landeskirche muss drastisch sparen und will die Tarifverträge ihrer Beschäftigten kündigen. Das Angebot des Regierenden Bürgermeisters, den Werteunterricht an Berlins Schulen mitzugestalten, lehnt die Synode ab
Erwartet wurden die Entscheidungen schon seit längerem, dennoch werden ihre Folgen drastisch sein: Nach heftigem Streit hat sich die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am Samstag für einen harten Sparkurs entschieden. Der 271-Millionen-Euro-Etat für 2005 soll um rund 3,6 Millionen Euro schrumpfen. Zum Februar 2006 will die Landeskirche die Tarifverträge kündigen. Außerdem erneuerte das Kirchenparlament bei seinen zweitägigen Frühjahrsberatungen am Wochenende in Berlin seine Kritik am verpflichtenden Werteunterricht, den der Senat zum Schuljahr 2006/07 einführen will.
Der rigide Sparkurs der evangelischen Kirche gefällt nicht jedem: 24 der 193 Synodalen, also der Abgeordneten, stimmten am Samstag gegen die Pläne. Landesbischof Wolfgang Huber rief dazu auf, verstärkt auf Ehrenamtliche in der Gemeindearbeit zu setzen. Zusätzliche Einsparungen von knapp zehn Millionen Euro will die Landeskirche bis zum Herbst vorbereiten. Ein neues Amt für kirchliche Dienste soll mehrere bestehende Arbeitsbereiche zusammenfassen, etwa das Evangelische Bildungswerk sowie die Frauen- und Jugendarbeit. Der Etat für das neue Amt liegt laut Synodenbeschluss bei rund 1,3 Millionen Euro. Das bedeutet eine Kürzung des Gesamthaushalts aller Arbeitsbereiche um 30 Prozent. Weitere 500.000 Euro will die Synode bei der kirchlichen Publizistik und in Verwaltungseinrichtungen sparen.
Die Mitglieder des Kirchenparlaments stritten heftig um Für und Wider der bestehenden Tarifverträge. Ein Verzicht auf Tarifverträge für Mitarbeiter sende ein falsches Signal „in dieser immer kälter werdende Gesellschaft“, kritisierte das Synoden-Mitglied Uwe Meinhold. „Hier haben wir als Kirche auch Verantwortung.“ Sein Kollege Josef Keil assistierte: Die Auflösung des derzeitigen Tarifvertrages führe zur „vollständigen Entmachtung der Arbeitnehmer“. In der Kirche dürfe über Mitarbeiter nicht „nach Gutsherrenart“ entschieden werden.
Letztlich beschloss die Synoden-Mehrheit, sowohl Tarifverträge mit den Gewerkschaften als auch Regelungen durch so genannte arbeitsrechtliche Kommissionen zu ermöglichen. Den Kommissionen gehören Vertreter der Mitarbeiter und der kirchlichen Arbeitgeber an – die Gewerkschaften müssen jedoch nicht beteiligt werden. Auch die Mitbestimmung der Angestellten soll eingeschränkt werden. Künftig können sich nur noch Kirchenmitglieder in Mitarbeitervertretungen wählen lassen.
Die Frühjahrsberatungen zeigten auch, dass die Fronten im Streit um die Einführung eines verbindlichen Werteunterrichts an Berliner Schulen verhärtet bleiben. Zwar rief der Regierende Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) die Kirchen am Samstag auf, am Lehrplan für das Pflichtfach mitzuarbeiten: „Da wird es eine ganz breite Angebotspalette geben, und ich lade die Kirchen dazu ein, daran mitzuarbeiten“, sagte er. Wowereit sagte, er halte es für vernünftig, dass Vertreter der Konfessionen „im Originalton in diesem Unterricht zu den jeweiligen Einrichtungen zu Wort kommen“.
Doch die Evangelische Landessynode bleibt bei ihrer scharfen Kritik. Sie befürchtet, dass das Pflichtfach den freiwilligen Religionsunterricht aus der Schule verdrängen wird. Die Landeskirche werde sich an der Gestaltung eines Wahlpflichtbereiches nur beteiligen, wenn der Religionsunterricht darin gleichberechtigt ist. MLO