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Archiv-Artikel

Hohe Schwelle

In Flensburg wurde Neonazis der Prozess gemacht. Ohne von Bildung einer kriminellen Vereinigung zu sprechen

Vor wenigen Tagen war die Staatsanwaltschaft Flensburg in der Sache noch zuversichtlich: „Die Schwelle für eine Verurteilung als kriminelle Vereinigung ist hoch“, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft anlässlich des Verfahrens gegen die Neonazigruppe „Combat 18 Pinneberg“ (C 18 P), „dennoch rechne ich im Mai mit einer Verurteilung.“ Das Flensburger Landgericht bewertete den Fall jedoch anders. Am Montag verurteilte es die fünf militanten Neonazis zu geringen Strafen. Der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung blieb dabei auf der Strecke.

Eigentlich hatte die Staatsanwaltschaft angekündigt, noch „schwerwiegende Beweise“ vorzulegen, um die Tatvorwürfe wie eben der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie räuberischer Erpressung untermauern zu können. Das wäre nach zehn Verhandlungstagen auch mehr als nötig gewesen. Denn Verteidiger und Mandanten zeigten sich immer optimistischer. Die Staatsanwaltschaft wiederholte indes gegenüber der taz: „Die gesamten Ermittlungen belasten die Beschuldigten stark.“

Vorgetragen wurden sie jedoch kaum. Über zwei Jahre soll das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein die Neonazigruppe observiert haben. Die Rechtsradikalen aus Schleswig-Holstein und Hamburg standen im Verdacht, zwischen 2001 und 2003 Waffen gesammelt, Dossiers über „Feinde der nationalen Bewegung“ geführt, CDs mit volksverhetzenden und gewaltverherrlichenden Texten hergestellt und von rechten Labels Schutzgeld erpresst zu haben.

Doch wichtige Beweise wie ein Video über ein Gründungstreffen von „C 18 P“ in einer Bahnhofgaststätte in Neumünster oder die Abhörprotokolle von 1.016 Telefonaten wurden nicht mehr in das Verfahren eingeführt. Bei den Verhandlungen erfuhr man auch wenig, wie weit der Aufbau der Kampftruppe nach dem Vorbild des britischen Neonazinetzwerks „Blood & Honour“ fortgeschritten war.

Nachdem das Gericht signalisiert hatte, dass es dem Tatverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung nicht folge, vereinbarten Staatsanwaltschaft und Verteidigung, dass die anderen Taten eingeräumt und keine Revision eingelegt würden. Danach verkündete das Landgericht die Urteile. Vier der Angeklagten erhielten Geld- und Bewährungsstrafen zwischen ein bis vier Jahren, unter anderem wegen Nötigung, erpresserischer Handlungen, Körperverletzungen sowie illegalen CD-Handels. Einer der Angeklagten wurde freigesprochen. Der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung entfiel. A. Speit