: berliner szenen Die Circe Patrick Wolf
Schönheit zurückbringen
London Town ist ein garstiger Ort. Einbrecher stehlen dort jungen Künstlern Hab und Gut, ihre Papiere, ihre Identität. Junge Künstler müssen reisen, oft und immer wieder, doch ohne Papiere reist es sich schlecht. Ohne sie sind junge Künstler Gefangene, wie alle anderen auch. In Berlin prosten sich bereits die ersten Konzertgäste zu, Patrick Wolf, der wildromantische Sänger aus London, soll heute auftreten, da steht ebendieser noch ebendort, in London, am Lufthafen, und bettelt. Man möge ihm doch irgendetwas ausstellen, ein Blatt Papier, einen Freifahrtschein für beraubte Sänger, eine provisorische Identität, bitte schön.
Düsenjets jagen Patrick Wolf durch die Wolken auf die Bühne des Knaack, sein Akkordeon musste er zurücklassen. „Das war die Hölle, ich fühle mich wie Kylie Minogue“, spricht er schließlich und fährt sich durchs Haar, es ist vom Wind noch ganz zerzaust. War es nicht der Sturm von Cornwall, der da durch die rabenschwarzen Strähnen tobte, während der junge Künstler noch auf Virginia Woolfs Leuchtturm stand und in vergangene Zeiten blickte? War es nicht eine Möwe, die er sich vom Himmel zog, die ihn nach Berlin brachte? Patrick Wolf treibt dem Knaack das Gähnen aus der Kehle, mit seiner frischen Brise Transzendentalismus. Er spielt Ukulele, Viola und Piano und besingt das Unglück, dass Pferde nicht auf Autobahnen zugelassen sind.
Patrick Wolf möchte nur Schönheit und Stil zurück in Mode bringen. Wenn man ihn ansieht, meint man, dass ebenso gut Kate Bush Modell für Dior Homme stehen könnte. Im Ausschnitt seiner schwarzen Weste, in die auch Brüste passen könnten, tanzt eine silberne Schraube. Das Rätsel der Nacht: Wofür braucht einer wie dieser überhaupt Papiere? JAN KEDVES