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Archiv-Artikel

Zögern und warten

Maxi Obexers „Liberté Toujours“ in den Sophiensælen berichtet in drei Monologen von Schwellensituationen

Schwellen. Gerade noch stand man vor der Tür, eben noch hat man nervös auf den Augenblick gewartet, in dem man sie öffnen würde, forsch hineinschreiten, das Gegenüber begrüßen, den Dingen ihren Lauf lassen. Jetzt ist man drin, die Tür hat sich wieder geschlossen, die Dinge nehmen ihren Lauf. Die Schwelle ist überschritten, zurück geht es nicht mehr, die kurze Zeit zwischen zwei Situationen oder Lebensphasen ist vorbei.

Maxi Obexers Trilogie „Liberté Toujours“ bringt in drei Monologen solche Schwellensituationen auf die Bühne. Drei Figuren berichten nacheinander von einem entscheidenden Moment in ihrem Leben, in dem die Schwelle überschritten werden musste. Jede berichtet davon, wie sie diesen Moment hinausgezögert hat, wie sie ihn im Nachhinein überhaupt erst als solchen wahrgenommen hat, wie sich der Übergang vollzogen oder wie man ihn blockiert hat. Dreimal ein langer, durchgehender Redefluss, die Sprache dreimal vom persönlichen Erleben der Figuren gefärbt; drei Momente, die nur in Beziehung stehen, weil jeder von ihnen einen Übergang darstellt.

Auf der leeren Bühne außer einem Mobile mit bunten Flauschbällen nur gefüllte Wasserkanister an der Seite und Behördenstühle in der Mitte. Die drei Figuren, zwei Frauen und ein Mann (Thordis König, Lars Studer, An Khuon), sitzen auf den Plastikstühlen, blicken vor sich hin, scheinen zu warten. Die eine packt die Thermoskanne aus, die andere legt ihren Schmuck um. Man steht nicht miteinander in Verbindung. Dann bricht es aus der ersten Frau hervor: „Ich reich ihm die Hand über den Schreibtisch. Ich setz mich hin und mache genau nur das Gesicht, das in Frage kommt.“

In unendlichen Schleifen bewegt sich der Monolog immer wieder über die Situation hinaus ins Allgemeine. Das bevorstehende Bewerbungsgespräch wird zur Schlüsselszene, in der sich ein ganzes Leben kristallisiert; in der unmittelbar erwarteten Szene kann man andere, länger schon zurückliegende neu erleben: In das Vorstellungsgespräch mischen sich Satzfetzen aus dem Entlassungsgespräch, und bisweilen wird die eigene Rede mit dem fremden Urteil über die eigene Person verfälscht: „Mädchen. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf. Seien Sie nicht so überzeugt von sich.“

Ebenso reduziert wie das Bühnenbild sind die Möglichkeiten der drei, ihre Situationen wirklich auszuspielen – das liegt in der Natur des Monologes, der ohne Interventionen und Stichworte von anderen auskommen muss. Hier geht es allein um den Text, und die drei Szenen sind immer da am stärksten, wo sie sich auch wirklich auf ihren Text verlassen. Denn Maxi Obexer leuchtet die Situationen mit ihren kleinen, manchmal absurden Details so präzise aus – der dunkelrote Seidenschal auf dem weißen Anzug des Dekans, die zusammenzulegenden Geschirrtücher, der Krawattenknoten des Chefs –, dass man diese Situationen körperlich mitempfindet.

Dass in den Monologen immer zwei Personen stumme Zuhörer der dritten sind, ist deshalb nur konsequent, und man hätte dabei auf die etwas mühsamen Versuche gut verzichten können, jeweils auch die zwei unbeteiligten Figuren auf der Bühne zu beschäftigen. Nägel lackieren, Haare aufdrehen, Tee eingießen, all das lenkt nur ab und lässt die Schwellen weniger plastisch ins Bewusstsein treten.

ANNE KRAUME