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Archiv-Artikel

Ein Überflieger trifft auf Widerstand

Aktionäre rügen EnBW-Chef Utz Claassen wegen üppigen Jahressalärs. Zudem besteht Verdacht auf Bilanzfälschung

„Wunderkind oder Rambo?“ Die Presse im Ländle hat die Frage einst gestellt – und sie bis heute nicht beantworten können. Denn Utz Claassen hat von beiden eine ganze Menge. Er, der 41-jährige Überflieger, der mit 17 Jahren das Abitur mit der Note 0,7 machte, der Betriebswirtschaft, Grafikdesign und auch noch Medizin studierte; der Goldkettchenträger und bekennende Freund von Cola light und Wurstsalat, der wirkt, als räume er alles beiseite, was sich ihm in den Weg stellt; der Exmitarbeiter von McKinsey, der seit zwei Jahren an der Spitze des Karlsruher Stromkonzerns EnBW steht.

Und dort sorgt er derzeit für unangenehme Schlagzeilen: Zur heutigen Hauptversammlung mache der französische Großaktionär EdF Front gegen Claassens Jahresgehalt von 4,2 Millionen Euro, so die Stuttgarter Zeitung gestern. Ob die Aktionärsmehrheit als Begründung gelten lassen wird, dass Claassen zuletzt nicht nur Vorstandschef sondern auch Finanzvorstand war, darf bezweifelt werden.

Dass der ehrgeizige Unternehmer von sich reden machen wird, war ohnehin klar – spätestens, seit er am Abend vor seiner Amtseinführung bei „Sabine Christiansen“ die Welt erklärte. Wenn einer mit solchem Sendungsbewusstsein einen Gemischtwarenladen übernimmt, der neben Strom auch noch Fensterprofile verkauft, der Parkhäuser betreibt und Putzkolonnen befehligt, ist mit Turbulenzen zu rechnen. Zumal dann, wenn das Unternehmen über Jahrzehnte Spielball der Landespolitik war. Die gesamte Eigenkapitalquote der EnBW, so lästerte vor Claassens Antritt die Branche, lasse sich am Buffet bei der Hauptversammlung verfuttern.

Als der Niedersachse dann im Mai 2003 das Amt des kauzigen Gerhard Goll übernahm, tat er, was Manager immer tun, wenn sie anfangen: Er bilanzierte das Unternehmen so schlecht wie möglich, um später als Sanierer zu glänzen. Das ist in Grenzen legal, weil die Bilanzierung Ermessensspielräume bietet. Ob Claassen dabei zu weit ging, also Bilanzfälschung betrieb, ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft. Claassen gibt sich gleichwohl gelassen und lässt mitteilen, er befasse sich nicht mit den Vorwürfen; sie seien „abwegig“.

Auch in seiner Energiepolitik ist er – soweit man das als Chef eines Atomkonzerns sein kann – mit Rot-Grün im Reinen. Sagt man ihm doch gute Kontakte zu Kanzler Schröder und Umweltminister Trittin nach. Dementsprechend ist Claassen loyal: „Für mich gilt der Atomkonsens – wir planen ohne Atomkraft.“

Publicityträchtig erklärt er, dass die EnBW „Vorreiter bei den erneuerbaren Energien“ werden wolle. Er bringt dann Sätze wie diesen: „Wir dürfen nicht so tun, als ob die Strompreise der nächsten fünf Jahre wichtiger seien als die ökologische Situation der nächsten 500 Millionen Jahre.“

Doch fünf Jahre sind für einen wie Claassen eine lange Zeit. Dass er dann noch bei der EnBW sein wird, glauben ohnehin wenige. Es wollen ja auch noch andere Unternehmen aufgemischt werden. BERNWARD JANZING