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Archiv-Artikel

AMERICAN PIEEin Komet auf Abwegen

Der einstige NBA-Star Stephon Marbury fällt nur noch durch bizarre Internetshows auf. Ein Hilferuf?

Wie schmeckt eigentlich Vaseline? Stephon Marbury, im zweiten Leben einer der besten NBA-Aufbauspieler der letzten zehn Jahre, weiß die Antwort. In seinem Internet-Live-Stream kann man den mittlerweile 32-Jährigen über eine Webcam verfolgen, sich mit ihm über Bugs Bunny unterhalten – oder sich nützliche Tipps für die Gesundheit abholen. Vaseline sei gut gegen Entzündungen im Hals, lächelte Marbury in die Kamera und schluckte eine Fingerspitze der klebrigen und dafür sicher nicht gedachten Substanz.

Was sich zuerst amüsant und witzig anhört, ist nur eine von vielen bizarren Episoden aus dem Leben des Stephon Xavier Marbury, die er – halbnackt vor der Linse sitzend – mit den Internetusern teilt. Wenige Tage zuvor drehte der New Yorker die Musik aus seinem Laptop auf und brach beim Song „Lean on me“ von Kirk Franklin vor laufender Kamera in Tränen aus, schluchzte wie ein kleines Mädchen. Nicht nur das, was er tut, sondern auch das, was er sagt, ist kurios: „Ich werde eine Stiftung für die Welt gründen. Mit dem Geld werde ich überall Städte bauen. Ich bin ein Komet. Gott sagte mir, ich sei ein Komet.“

Basketballfan- und -fachkreise zermartern sich die Köpfe, ob Marbury nur ins Rampenlicht der Öffentlichkeit drängen will oder wirklich ernsthaft Hilfe braucht. „Es ist einfach schwer, mit anzusehen, wie Stephon versucht, mit dem Leben klarzukommen“, so Vincent Thomas vom Fachblatt SLAM. Dessen Kollege Ben Osbourne ist dagegen anderer Meinung: „Wenn man überlegt, was Marbury im Laufe seiner Karriere so gesagt hat, ist das alles eigentlich nichts Neues. Solange ein Mikrofon in der Nähe war, hat er immer wieder mal den Bezug zur Realität verloren.“ 1996 wechselte Marbury – bereits an High School und College ein Star – in die beste Basketballliga der Welt, bildete bei den Minnesota Timberwolves mit dem fast gleichaltrigen Kevin Garnett ein kongeniales Duo. Doch während Garnett mit seiner Vielseitigkeit und Uneigennützigkeit zu einem der besten Spieler aller Zeiten wurde, machte Marbury sein Ego oft einen Strich durch die Rechnung. Aus Minnesota verabschiedete er sich 1999 im Streit über seine Rolle in der Offensive nach New Jersey zu den Nets, nach zwei Jahren wurde er zu den Phoenix Suns geschickt, ehe er 2004 bei den New York Knicks landete – dem Team seiner Heimatstadt, für das der in Coney Island aufgewachsene Marbury immer spielen wollte. Zwar hielt die Ehe Marbury/New York fünf Jahre, doch beide Seiten konnten die Erwartungen nicht erfüllen. Bezeichnend: Trotz der unbestritten hervorragenden Leistungen Marburys erreichten seine Teams in 13 Jahren nur fünfmal die Playoffs. In der letzten Runde absolvierte der Spielmacher keine einzige Partie für sein Traumteam, das ihn auch ansonsten eher selten nominierte.

Kurz vor Ende der regulären Saison wechselte er zum damaligen Titelverteidiger Boston Celtics – in der Hoffnung, dort endlich um den Titel mitspielen zu können. Dafür begnügte sich der als so egoistisch Verschriene auch mit einer Rolle als Einwechselspieler. Selbst dieser Erfolg war ihm jedoch nicht vergönnt: Die Celtics schieden im Playoff-Viertelfinale aus. Sieht man sich jedoch die Webcam-Übertragungen des Stephon Marbury an, merkt man, dass dieser millionenschwere NBA-Star andere Probleme hat als den Erfolg auf dem Spielfeld. DAVID DIGILI